Brexit und danach?

Aburdes Theater:

Die Regierung möchte jetzt beim Supreme Court argumentieren, dass Artikel 50 rückgängig gemacht werden kann. Demnach müsse das Parlament nicht über die Benachrichtigung nach Artikel 50 abstimmen. Denn das Auslösen des Artikel 50 führe nicht zwangsläufig dazu, dass die Rechte von UK-Bürgern gesetzlich geändert werden. Also sei die Zustimmung des Parlaments erst am Ende des Prozesses notwendig.

https://www.theguardian.com/politics/2016/nov/11/brexit-could-be-reversed-government-lawyers-may-argue

Hieße aber auch, dass der Brexit gar nicht so sehr beschlossene Sache ist. Wer weiß schon, wie die Stimmung in gut zwei Jahren aussehen wird.

Das Problem dabei ist, wie könnte das UK für sich alleine entscheiden, dass es ein Rückzugoption gibt, im Artikel 50 selbst ist das nicht genannt. Das müsste eigentlich die EU gerichtlich klären. Die weigert sich wiederum, sich überhaupt zum Fall zu äußern.

Die Verhältnisse im Parlament sind ziemlich klar:



Die "Remain MPs" würden im Zweifelsfall sehr wahrscheinlich für einen Verbleib im Binnenmarkt stimmen. Ob sich die Verhältnisse durch Neuwahlen groß verschieben lassen, ist sehr fraglich.

Auch in der Bevölkerung hat sich bereits die Stimmung zugunsten von Remain verschoben:

http://uk.businessinsider.com/brexit-vote-regret-leave-margin-victory-2016-10

Hintergrund ist, dass eine Reihe von Wählern eher nur allgemein Unzufriedenheit oder den Wunsch nach Veränderung ausdrücken wollten.

@Anaximander
Sind das die gleichen Meinungsumfrageinstitute die ein klares Remain vorhergesagt haben, verstehe nicht, nach dem Brexit sucht man einen Weg um doch drin zu bleiben, nach Trump versucht man die Wahlmânner umzustimmen damit sie für Hillary stimmen !? Was ist mit den Wâhlern die für Leave/Trump waren, juckt keinen oder wie ? Wie dreisst.

@Anaximander

Das ist jetzt aber nicht wirklich dein Ernst, dass du Brexit Polls postest oder?
Wie sahen die gleich nochmal am Vortag des Referendums aus?

10% der Leave Wähler sind sich nicht mehr sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, 6% bereuen die Entscheidung sogar. Bei den Remain Wählern sind es nur 2 bzw. 1%. Das ist jenseits aller Fehlertoleranzen.

Es heißt also lediglich, dass eine ungewöhnliche hohe Zahl an Wählern die Leave Entscheidung bereits bereut. Es heißt nicht, dass deren Wille nicht respektiert wird.

Noch deutlicher sind diese Zahlen:

By 44% to 32% people thought it would be bad for Britain if we simply left and had no trade deal with the remainder of the EU.

http://ukpollingreport.co.uk/blog/archives/category/europe (Archiv-Version vom 06.11.2016)

Das ist aber genau der Kurs, den die Regierung verfolgt. Das Referendum hat aber keinerlei Klärung darüber gebracht, welche Art von Brexit die Bevölkerung wünscht.

Anaximander schrieb:Es heißt also lediglich, dass eine ungewöhnliche hohe Zahl an Wählern die Leave Entscheidung bereits bereut.

Vielleicht sollte "bereuen" verboten werden?
Aber von wem?

@brasco24

brasco24 schrieb: nach Trump versucht man die Wahlmânner umzustimmen damit sie für Hillary stimmen

Ich dachte immer die Wahlmänner würden immer komplett für den Kandidaten mit den meisten Stimmen stimmen, dass man diese auch legal mit Argumenten nachträglich umstimmen kann wusst ich garnich.

mfg
kuno

Die Anfragen britischer Firmen, die in der BRD bzw. der EU ansässig werden wollen scheint zuzunehmen...wenn die die AN nicht mitbringen sieht das eher schlecht aus für GB.

Britische Banken und Unternehmen werden wegen des Brexit-Votums nach Einschätzung des Bundesfinanzministeriums bald mit einer Verlagerung von Geschäften nach Deutschland beginnen. Im Finanzministerium gebe es vermehrt Anfragen von Firmen, die ihren Sitz oder Geschäfte nach Kontinentaleuropa verlegen wollten, sagte Finanzstaatssekretär Thomas Steffen bei einer Bankenkonferenz in Frankfurt.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/brexit-firmen-bereiten-sich-auf-verlagerung-ins-ausland-vor-a-1121177.html

Heute in der Times Druckausgabe gelesen:

In den fünf Monaten seit dem Referendum haben britische Firmen bereits geplante Investitionen in Höhe von über 65 Mrd Pfund aufgegeben, aufgrund der Unsicherheit, ob das UK im Binnenmarkt verbleibt.

Der Online-Artikel ist hinter einer Paywall, man kann es aber auch auf anderen Kanälen googlen:

http://www.thetimes.co.uk/edition/news/brexit-vote-drives-firms-to-ditch-65bn-of-investment-gwcfxn67v

Vor diesem Hintergrund erscheinen die Schätzungen vom Treasury, LSE usw. schon mehr als Project Reality dann als Project Fear.

Na jetzt sucht man die Nähe zu Trump

Btw versprach May wohl einen Vorkampf der "Marktfreiheit"

https://www.theguardian.com/politics/2016/nov/14/uk-must-become-global-leader-in-free-trade-theresa-may-brexit-vote-donald-trump-election


Bei allen vermeidlichen Erfolgen der Thatcher in den 80er, wird diese Einfache Losung nicht die Probleme des UK lösen, schon gar nicht diejenigen der Brexitanhänger..

@Fedaykin

Jo, der neue Protektionismus wird keine Lösungen bieten...er würde das Ungleichgewicht noch verstärken, worunter gerade die Ärmsten am meisten leiden würden.

Protektorismus würde im Widerspruch zu neuen Freihandel stehen, oder Marktliberalisierung.

Netter Artikel im Spiegel:

Der britischen Außenministers Boris Johnson hat sich mit Forderungen nach einem vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt bei EU-Kollegen lächerlich gemacht. Das berichtet die britische Zeitung "The Guardian".

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/boris-johnson-blamiert-sich-mit-brexit-plan-prosecco-gegen-fish-chips-a-1121662.html

Die Financial Times hat die Verluste des Staates aufgrund des Brexits in den nächsten 5 Jahren auf 116 Milliarden € beziffert...könnte ein teurer "Spaß" werden.

Um 100 Milliarden Pfund (rund 116 Milliarden Euro) könnte sich der Staatshaushalt Großbritanniens in den kommenden fünf Jahren verschulden, berichtet die Zeitung "Financial Times" und beruft sich dabei auf Schätzungen. Hauptrisiko seien geringere Steuereinnahmen: Denn infolge des Brexit-Votums könnte das Wirtschaftswachstum deutlich sinken, auch Investitionen könnten abnehmen. Bei einer historischen Abstimmung hatten sich die Briten im Juni für den Austritt aus der EU entschieden.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/grossbritannien-steuert-wegen-brexit-auf-haushaltsloch-zu-a-1121701.html

canales schrieb:beruft sich dabei auf Schätzungen.

Das halte ich immer für schwierig. Wer kann die nächsten fünf Jahre abschätzen? Gerade bei so unsicheren Verhältnissen, wie sie dort gerade herrschen. Man muß die Konsequenzen auch nicht unedingt beziffern, zumindest jetzt noch nicht.
Ich bin eh kein Freund von solch langfristigen ,,Experten"-Schätzungen. Warten wir doch erstmal ab, was passiert. So ähnlich wie bei Trump - da kann auch keiner was wirklich stichhaltiges vorhersagen.

@Grymnir

Das Finanzministerium muss mit Prognosen arbeiten, um das Budget für die nächsten Jahre zu planen. Und da steht irgendwas von bis zu 66 Mrd. Pfund weniger Einnahmen pro Jahr, da die Wirtschaft um bis zu 10% kleiner sein wird, als ohne hard Brexit, und somit ein entsprechendes Verhältnis von Steuereinnahmen voraussichtlich verloren geht. Ob es zu einem hard Brexit kommt, steht natürlich bestenfalls in den Sternen. Und der individuelle Wohlstand der Bürger zählt sowieso nicht. Ob es am Ende etwas mehr oder etwas weniger wird, kann man nicht voraussehen, man muss aber schon jetzt Zahlen haben, um längerfristig das Budget planen zu können. Man kann dann natürlich immer noch anpassen.

@Anaximander

Da hast du zwar an sich recht, aber siehst du, wo das ganze hapert?

Anaximander schrieb: da die Wirtschaft um bis zu 10% kleiner sein wird

Diese Prognose kann genau so falsch sein, aber auf ihr bauen weitere auf. Und so zieht sich das durch alle voneinander beeinflußten Prognosen, und am Ende stimmt gar nichts mehr.
Du hast recht damit, daß das Ministerium irgendwie seine Schätzungen machen muß. Nur sieht man eben (auch hierzulande) andauernd nur Nachkorrekturen usw. Das ist ja an sich nicht so dramatisch, aber aus diesem Grund lege ich halt nicht so viel Wert auf Schätzungen, die publiziert werden.

@Grymnir

Nachkorrekturen wird es angesichts der sehr unsicheren Situation sicherlich geben müssen, die 10% sind auch eher eine Maximalzahl, es könnten auch nur 6% sein. Belastbar sind die 20% Verlust des Pfundes seit dem Votum und die 65 Mrd in 5 Monaten flöten gegangenen Investitionen der Wirtschaft. Da bislang keiner weiß, ob UK im Binnenmarkt oder in der Zollunion bleibt und wirklich die Freizügigkeit beschränken will, kann es natürlich auch anders kommen.

@Anaximander

Eben, und daher warte ich erstmal ab und schue mir an, wie sich die Situation in GB weiter entwickelt. Es könnte ja nun auch sein, daß Schottland ein neues Referendum um einen GB-Austritt abhält, um in der EU bleiben zu können. Was dasdann für Folgen hätte, läßt sich absolut noch nicht einschätzen.