Brexit und danach?

Neben DD sind noch zwei weitere Brexit-Minster zurückgetreten. Damit sind 3/5tel des DExEU zurückgetreten. Noch am heutigen Vormittag wird Theresa May versuchen, Nachfolger zu ernennen. Wenn es Remainer sind, könnte May zum Rücktritt gezwungen werden, wenn es Leaver sind, könnten die weiteren Gespräche mit der EU scheitern, nachdem bereits der Kompromiss vom Freitag bestenfalls ein halber Schritt in die richtige Richtung war, die EU (vielleicht mit Ausnahme von Irland) hat sehr verhalten darauf reagiert.

Laut dem Daily Mail Artikel sind die ersten Schreiben mit Rücktrittsforderung an May bereits eingegangen, es müssten aber 48 erreicht werden.

Rees Cock hat sich gerade allerdings wie folgt geäußert:

I don’t think a no-confidence vote is immediately in the offing.

I think what the prime minister needs to do is give up on the Chequers proposals which, David Davis has pointed out in his resignation letter, don’t actually deliver Brexit.

Das bedeutet, Theresa May müssten den Kompromiss vom Freitag, der für die EU ohnehin nicht akzeptabel ist, wieder zurückziehen, sonst gibt es die Vertrauensfrage. Seine Fraktion hat 60 Anhänger, das reicht also für das Gesuch. Wie das Rätsel um Nordirland gelöst werden soll, lässt er freilich offen.

Das Pfund ist weniger stark gefallen, als erwartet, da die Entscheidung zwei mögliche Auswirkungen hat: einerseits der offene Bruch ohne Abkommen, andererseits ist aber auch die Wahrscheinlichkeit eines soft Brexit höher.

Viel könnte davon abhängen, wer Nachfolger von Davis wird.

Dominic Raab wird neuer Brexit-Minister (bislang housing minister), ein Leaver, der durchaus durch extreme Positionen aufgefallen ist (Ko-autor von "Britannia unchained"). Er möchte die Zollunion verlassen. Das dürfte einen Kompromiss mit der EU noch schwieriger machen.

Was aber auch zeigt, daß May nicht so ganz Herrin des Verfahrens ist.
Sonst hätte sie einen Minister berufen, der klar ihre Linie verfolgt.

Die Kernthesen von Dominic Raab hatte ich hier zusammengefasst:

Beitrag von Anaximander (Seite 221)

Mittlerweile sollte man die Hoffnung auf einen Kompromiss besser begraben.

Boris Johnson hat zwei Termine verpasst und ist nicht erschienen. Möglicherweise ist er gerade wieder im Drogenrausch, um ein gewisses Gefühl von Machtlosigkeit zu überwinden, oder er tritt auch zurück. Noch unklar.

Boris Johnson tritt zurück!

https://www.theguardian.com/politics/2018/jul/09/boris-johnson-resigns-as-foreign-secretary-brexit

Ich werde das Gefühl nicht los, dass der Brexit noch abgeblasen wird.

Anaximander schrieb:Möglicherweise ist er gerade wieder im Drogenrausch, um ein gewisses Gefühl von Machtlosigkeit zu überwinden, oder er tritt auch zurück. Noch unklar.

So wie er aussieht, würde ich sagen, beides.

Die Frage, die sich mir stellt, ist eher- überlebt das May politisch?
Die Gruppe um Johnson im Parliament ist groß genug, um May zu stürzen.
(Wobei damit aber auch nicht geklärt wäre, was danach passiert. Neuwahlen? )

Ganz großes Kino (wenn es nicht so traurig wäre).

May war am Donnerstag bei Merkel. Ihr wird natürlich vorgeworfen, dass sie "Anweisungen" von ihr bekommen hat, um einen möglichen Brexit-Kompromiss anzuleiern. Das könnte noch auf sie zurückfallen.

Mit der Abdankung von Johnson stellt sich die Vertrauensfrage weitaus mehr als noch bei Davis, der ohnehin im Jahr 2018 nur vier Stunden im Gespräch mit Barnier verbracht hat.

Johnson würde allerdings wohl keine Mehrheit bekommen. Im Gespräch ist Sajid Savid, derzeit Innenminster. Auch Michael Gove, der allerdings schon 2016 keine Chance hatte, und überdies zuletzt auf den May-Kurs eingeschwenkt ist.

Die Abdankung kam eine halbe Stunde bevor TM eine Rede zur Verteidigung ihrer Brexit-Strategie vom Freitag halten wollte und dies auch getan hat.

Die EU hat bislang kaum reagiert, da die Veröffentlichung des 100seitigen white papers erst für Donnerstag angekündigt ist. Erst dann will man sich äußern.

Schon klar ist aber, dass es sich nur um eine neue Mischform bereits abgelehnter Vorschläge handelt. Entsprechend hat der Vorschlag keine Chance.

In diesem Fall braucht die EU gar nicht zu reagieren, um die britische Regierung zu destabilisieren.

Die rechtslastigen Zeitungen rufen bereits das Ende von May aus.

Laut Corbyn kamen die Abdankungen nur so spät, weil es die Drohung gab, den Dienstwagen im Landhaus zu entziehen. Außerdem machte er die Sparpolitik der Regierung dafür verantwortlich, dass der Busbetrieb eingestellt wurde.

Schade eigentlich, daß da so sehr gespart wird, daß sich so ein Minister nicht einmal mehr ein Taxi leisten kann.
Andererseits- Bewegung hätte der einen oder anderen Figur sicher auch mal gut getan.

*ironie off*

Der Spiegel titelt: "Ein Näschen fürs Näpfchen".

Aber wie soll man "Näschen" verstehen?

Sein Abschiedsschreiben spricht auch von Größenwahn:

As I leave office, the [Foreign and Commonwealth Office] now has the largest and by far the most effective diplomatic network of any country in Europe - a continent which we will never leave.

Theresa May's Brexitpolitik greift er scharf an:

It is as though we are sending our vanguard into battle with the white flags fluttering above them. Indeed, I was concerned, looking at Friday’s document, that there might be further concessions on immigration, or that we might end up effectively paying for access to the single market.

Nigel Fararsch droht derweil mit seinem politischen Comeback:

https://www.telegraph.co.uk/politics/2018/07/09/great-brexitbetrayal-isnt-reversed-have-no-choice-return-ukip/?li_source=LI&li_medium=li-recommendation-widget

Zwei weitere parlamentarische Staatssekretäre treten nach der Rede von Theresa May, bei der sie mehrfach ausgelacht wurde, zurück.

Was kommt jetzt?

Bei einem Misstrauensvotum wird es wieder zu Grabenkämpfen zwischen den Lagern kommen, möglicherweise gibt es dann Neuwahlen und Labour würde gewinnen.

Wenn es kein Misstrauensvotum gibt und Theresa auch nicht freiwillig aufgibt, wie soll es dann überhaupt weiter gehen? Das derzeitige proposal hat ohne deutliche weitere Zugeständnisse keine Chance von der EU angenommen zu werden.

Der Gesundheitsminister Jeremy Hunt wird Nachfolger von Boris Johnson. Er war während des Referendums ein Remainer und anschließend für ein zweites Referendum mit Verbleib im Gemeinsamen Markt, hat anschließend aber seine Meinung geändert.

May hat keine klare Linie, sondern versucht zurückgetretene Personen mit ähnlichen Typen auszutauschen.

Ein Freihandelsabkommen wird es nicht geben. Dazu müsste Nordirland wirtschaftlich Irland eingegliedert werden, politisch aber weiterhin dem UK unterstehen. Abgesehen von ideologischen Gründen der Unionisten wollen die Engländer das auch nicht, denn Nordirland kostet einfach zuviel. Wenn dann noch nicht einmal ein wirtschaftlicher Vorteil in Form eines gemeinsamen Marktes mit Nordirland besteht, ist es besser, auf Wiedervereinigung mit Irland zu setzen, ein Freihandelsabkommen dann später, also erstmal Austritt ohne Abkommen.

Besonders viel braucht man dafür ja nicht zu machen, im Prinzip könnte man die Verhandlungen auch abbrechen. Dann kann man auch gleich versuchen, ob man mit einem Schweizer/Norwegen-Modell der EU Konzessionen abringen will. Viel wird da nicht zu erwarten sein, im besten Fall eine Deal in der Art von Cameron, also temporäre Einschränkungen bei staatlichen Lohnzuzahlungen für neu ankommende EU-Bürger.

Sieht insgesamt nicht gut aus. Selbst wenn TM zu solchen Zugeständnissen bereit wäre (vermultich hat sie ihren Plan von Merkel) würde sie dann ja doch irgendwann gestürzt werden. Allenfalls in letzter Sekunde könnte sie weitgehend eigenständig eine solche Entscheidung treffen.

Naja, das englische Volk wird sich aber erst später wundern, dass die Regierung sich völlig verändert hat ...

Schließlich ist die Fußball-WM wichtiger ... Und ich kann sie verstehen, dass dieses Theater nicht wirklich interessiert.
Ist die Frage, ob die Tories dafür auch mal abgestraft werden ...

Und die Frage ist auch, wie lange man noch eine Wiederholung des Referendums verhindern kann ...
May ist sicher auch bald weg vom Fenster ...

Zwei Vizechefs der Tories treten aus Protest gegen den Brexit-Kurs zurück.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/regierungskrise-in-london-zwei-vizechefs-der-konservativen-treten-zurueck-a-1217742.html

@Issomad

Gestern gab es deutlich mehr als 30.000 Kommentare im Livethread des Guardian.

Die Forderung, dass Rees-Mogg übernehmen soll, hat immerhin über 20.000 upvotes im Daily Mail bekommen.

Im Wohlfühl-DailyMail stand aber nicht die WM im Mittelpunkt, sondern die Taufe von Prinz Louis.

Klar, das Thema Brexit berührt fast jeden im UK, wenn auch in unterschiedlicher Weise.