nephilos schrieb:Ich glaube nicht, dass ich diese Tatsache anhand fehlender hebräischer Kompetenz in den Text hineinlese. Eher scheint es mir, dass die andere Seite überschnell in den Text hineinliest, was der Text eigentlich überhaupt nicht hergibt, und dann anschließend ein ganzes theologisches Konstrukt auf diesem wackeligen Fundament aufzubauen versucht.
Vor ab schon mal, die Nephilim spielen in keiner Theologie eine nennenswerte Rolle, zuallermeist gar keine. Wie Du auf "ein ganzes theologisches Konzept" kommst, bleibt mir ein Rätsel.
Und nun zum Geschlecht der Nephilim als Kinder der Göttersöhne. Du verstehst 6,4 so: "In den Tagen, als die Göttersöhne zu den Menschentöchtern gingen und diese (Kinder) gebaren, waren die Nephilim (schon) auf der Erde, und danach auch." Ich dagegen lese "In den Tagen, als die Menschheit sich zu vermehren begann und Töchter geboren wurden, was den Göttersöhnen dann auffiel... - in jenen Tagen lebten (dann) die Nephilim, aber auch später; die Göttersöhne gingen (nämlich)
wiederholt zu den Menschentöchtern, und so gebaren sie denen auch diese wiederholt."
Richtig ist schon mal, eine Vokabel für "wiederholt" steht nicht da. Wohl aber werden die Verben in eine bestimmte Zeitform gesetzt, mit der dann dieses Wiederholte ausgedrückt wird.
Die Zeitformen im Hebräisch sind schwierig. Es gibt nur zwei, das Perfekt und das Imperfekt. Und alle beide können eingesetzt werden, um Vergangenes, Gegenwärtiges oder Zukünftiges auszudrücken. Der Unterschied ist der, daß das sog. Perfekt abgeschlossene Handlungen ausdrückt und das Imperfekt nichtabgeschlossene. Und selbst das variiert. Es ist kompliziert. Ist aber erkennbar, wann welche Zeitform wie eingesetzt wird.
Na jedenfalls wird beim Erzählen von Ereignisfolgen gemeinhin das Verb im Perfekt verwendet, weitere, mit "und" angeschlossene Verben im Imperfekt. Hier, in Vers 4b, steht nun aber das erste Verb (gingen) im Imperfekt und das zweite, mit "und" angehängte, (gebaren) im Perfekt. Dieses Anhängen weiterer Verben mit Und und der Alternativform ist stilistisch, ausgedrückt wird die Gegenform. Ein Und-Imperfekt drückt also einen Perfekt aus und umgekehrt.
Hier in Vers 4 haben wir erst einen Imperfekt und dann einen Und-Perfekt. Also zwei Imperfekte. Fürs Erzählen einer Ereignisfolge wird dagegen der Perfekt und der Und-Imperfekt verwendet (man spricht von der Form des Narrativ). "A sprach zu B. Und B antworte A. Und dann gingen sie auseinander." Jede einzelne Aktion ist abgeschlossen, wenn die nächste sich ereignet. Perfekt bzw. Imperfekt mit Und. Hier aber kommt das so nicht vor. Eben weil nicht zwei in der Erzählzeit abgeschlossene Aktionen gemeint sind. In solchen Fällen drückt der Imperfekt entweder das Durative (dauerhafte) oder Iterative (wiederholte) einer Aktion aus, über den gesamten Zeitraum. Hier also: die Göttersöhne gingen wiederholt zu den Menschentöchtern, und so gebaren auch diese wiederholt.
Und das in welchem Zeitraum? Na klar: in jenen Tagen - und auch danach! Das "in jenen Tagen" bezieht sich also nicht auf das "Die Göttersöhne gingen zu den Menschentöchtern (und die gebaren)". Sondern auf "als die Menschen begannen, sich zu vermehren auf der Fläche des Erdbodens, und ihnen Töchter geboren wurden, da sahen die Söhne Gottes die Töchter der Menschen, dass sie gut waren, und sie nahmen sich von ihnen allen zu Frauen, welche sie wollten".
Daher besagt 6,4 "ab dem Aufkommen der Menschentöchter gabs die Nephilim, aber auch später noch, weil die Göttersöhne weiterpoppten".
Wäre dies nicht gemeint, wären die Nephilim also nicht die Nachkommen von Göttersohn und Menschentochter, dann stünden hier die beiden Gruppen Nephilim und Halbgötter völlig ohne Bezug nebeneinander. Und so, wie in Deiner Übersetzung Vers 4a endet (gebaren ihnen (Kinder), steht der verbleibende Rest 4b völlig unvermittelt da, und man weiß nicht mal sicher, welche der beiden Gruppen nun gemeint ist: "Sie sind die Helden; namhafte Männer der Vorzeit".
Hier mal meine Übersetzung.
הַנְּפִלִ֞ים הָי֣וּ בָאָרֶץ֮ בַּיָּמִ֣ים הָהֵם֒ וְגַ֣ם אַֽחֲרֵי־כֵ֗ן אֲשֶׁ֨ר יָבֹ֜אוּ בְּנֵ֤י הָֽאֱלֹהִים֙ אֶל־בְּנ֣וֹת הָֽאָדָ֔ם וְיָלְד֖וּ לָהֶ֑ם הֵ֧מָּה הַגִּבֹּרִ֛ים אֲשֶׁ֥ר מֵעוֹלָ֖ם אַנְשֵׁ֥י הַשֵּֽׁם׃
הַנְּפִלִ֞ים הָי֣וּ בָאָרֶץ֮ --- hannefilim haju va'arätz --- Die Nefilim waren auf der Erde
בַּיָּמִ֣ים הָהֵם֒ --- bejamim hahem --- in diesen Tagen
וְגַ֣ם אַֽחֲרֵי־כֵ֗ן --- wegam achar-khen --- und auch danach
אֲשֶׁ֨ר --- 'aschär --- wovon gilt
יָבֹ֜אוּ בְּנֵ֤י הָֽאֱלֹהִים֙ אֶל־בְּנ֣וֹת הָֽאָדָ֔ם --- javo'u bene ha'älohim äl-benot ha'adam --- die Göttersöhne gingen zu den Menschentöchtern
וְיָלְד֖וּ לָהֶ֑ם הֵ֧מָּה הַגִּבֹּרִ֛ים --- wejaledu lahem hemma haggibborim --- und sie gebaren ihnen diese: die Helden
אֲשֶׁ֥ר --- 'aschär --- wovon gilt
מֵעוֹלָ֖ם אַנְשֵׁ֥י הַשֵּֽׁם --- me'olam 'ansche haschschem --- von Alters her namhafte Männer
Schwierig ist hierbei der Satz von den Geburten bzw. seine Abrennung vom Nachfolgenden. Für Dich wie für viele Übersetzungen ist nur "wejaledu lahem" der Satz, "und sie gebaren ihnen". Es fällt schon auf, daß die Angabe fehlt, wer denn geboren wird. Wieso wird denn das Gebären extra mitgeteilt? In 6,2 wird es nicht erwähnt.
Aber wenn nun schon so getrennt wird, auf wen bezieht sich nun das
hemma als Subjekt? Wer sind "sie" (ich schrieb "diese")? Eigentlich müßten sie direkt zuvor erwähnt worden sein, daß man im Hebräischen mit einem Pronomen so auf sie verweist. Die Nachkommen? Naheliegend, aber ausgerechnet die werden ja nicht erwähnt. Die Nephilim? Dumm nur, daß da zwei Sätze und ne doppelte Temporalbestimmung dazwischen stehen. So weit greift kein Pronomen zurück. Ein Pronomen als Subjekt ist nicht mal notwendig, wird nur dann verwendet, wenn es extra betont werden soll. Aber hier wird betont ohne Anschluß, wer sich dahinter verbergen soll.
Da nehme ich das Pronomen lieber als Objekt zum Satz mit dem Gebären. Als Objekt verwendet muß ein Pronomen weder betont sein noch direkt auf das damit Bezeichnete folgen. Die
hemma wären damit völlig organisch und eindeutig die Nephilim. Immerhin bleibt es problematisch, daß dieses Objekt des Satzes gleich zwei mal hintereinander ausgedrückt wird, "sie, die Helden". Das ist ungewöhnlich, eine gewisse Überfrachtung, aber 6,1-2.4 ist jetzt ohnehin nicht ein Ausbund an klarem Redefluß im Hebräischen.