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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

17.073 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Suizid, Frankreich, 2015 ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 00:36
Hier mal eine interessante Stellungsnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde zum Thema...
Stellungnahme zum Absturz von Flug 4U9525
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, der Berufsverband Deutscher Nervenärzte und der Berufsverband Deutscher Psychiater sind zutiefst erschüttert von der Tragödie des Absturzes des Germanwings-Fluges 4U9525.

Wir trauern um die bei dem Absturz ums Leben gekommenen Menschen. Unsere Gedanken sind bei den von unvorstellbarem Leid getroffenen Angehörigen, die nicht nur in diesen Tagen, sondern auch langfristig alle erdenkliche psychologische und medizinische Unterstützung erhalten sollten.

Die Angehörigen, aber auch die gesamte Bevölkerung, wollen eine Erklärung für dieses unsägliche Unglück: Welche Motive bewegten den Co-Piloten dazu, ein vollbesetztes Passagierflugzeug wahrscheinlich absichtlich abstürzen zu lassen?

Die öffentliche Diskussion, die größtenteils auf der Basis von Spekulationen geführt wird, rückte schnell die Diagnose Depression, an der der Co-Pilot vor mehreren Jahren vermeintlich erkrankt war, in den Mittelpunkt.

Die DGPPN als wissenschaftliche Fachgesellschaft hält es für unangemessen, auf der Basis unvollständiger Informationen die mögliche Rolle einer psychischen Erkrankung bei dem mutmaßlichen Entschluss des Co-Piloten, die Maschine zum Absturz zu bringen, zu diskutieren. So fehlen Angaben zur Lebensgeschichte, der Persönlichkeitsentwicklung, der Kranken- und Behandlungsgeschichte, über die aktuelle Symptomatik und Therapie, den Medikamentengebrauch sowie über die aktuellen Lebens- und die konkreten Handlungsumstände. Nur in Kenntnis dieser Informationen könnte eine fundierte Diagnose gestellt werden und eine Ursachenzuschreibung erfolgen.

Wir erleben mit großer Bestürzung eine völlig übereilte, von Spekulationen getragene, Meinungsbildung zu psychischen Erkrankungen als Ursache für den wahrscheinlich willkürlich herbeigeführten Flugzeugabsturz.

Die Diagnose einer jeden psychischen Erkrankung bezeichnet ein Muster von Symptomen, das sich aufgrund sehr unterschiedlicher psychischer Entwicklungen, psychosozialer Belastungen und biologischer Voraussetzungen entwickelt. Bei manchen Menschen mit einer akuten psychischen Störung können beispielsweise eine schwierige Persönlichkeitsentwicklung mit Selbstwertproblemen, übermäßiger Ehrgeiz und belastende aktuelle Lebensumstände für ihr Handeln viel entscheidender sein als eine gleichzeitig bestehende „akute psychische Störung“. Auch diese Zusammenhänge müssten – neben vielen anderen – in der weiteren Diskussion um das Handlungsmotiv des Co-Piloten berücksichtigt werden.

Etwa 90% der jährlich circa 10.000 Suizide in Deutschland erfolgen vor dem Hintergrund einer oft nicht erkannten oder nicht optimal behandelten psychischen Erkrankung. Dabei werden die Suizide fast ausschließlich alleine durchgeführt. Sehr selten kommt es zu einem erweiterten Suizid, bei dem der Selbsttötung die Tötung eines oder mehrerer Anderer vorausgeht. Dabei handelt es sich zumeist um nahe Bezugspersonen, welche der Erkrankte nicht in der von ihm als ausweglos erlebten Situation zurück lassen möchte. In dieses Muster passt das nun diskutierte, mutmaßliche Handeln des Co-Piloten in keinster Weise. Ein wahrscheinlich absichtlich herbeigeführter Absturz eines Passagierflugzeuges durch einen Piloten ist ein extrem seltenes Phänomen. International konnte nur in einem Fall der Suizid als Ursache zweifelsfrei nachgewiesen werden.

In der öffentlichen Diskussion wird fälschlicherweise vermittelt, dass von psychischen Erkrankungen, insbesondere eine der häufigsten, der Depression, Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen, gegen die Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Dadurch werden Menschen mit einer psychischen Störung, und das sind – betrachtet man die Lebenszeit eines Menschen – nach dem letzten Gesundheitssurvey des Robert Koch-Instituts 2011 mehr als 30% der Bevölkerung, öffentlich diskriminiert. Die auch heute immer noch bestehende Angst und Scham, die viele Menschen mit einer psychischen Erkrankung haben und die sie häufig vor anderen verbergen wollen, wird durch die Berichterstattung der letzten Tage verstärkt. Der Wunsch und die Motivation, verfügbare, wirksame und erfolgreiche Therapiemethoden (Psychotherapie und Medikamente) in Anspruch zu nehmen, wird weiter reduziert. Schon bisher nehmen beispielsweise weit weniger als 50% der an Depression Leidenden medizinische und psychotherapeutische Hilfe in Anspruch – u. a. auch wegen befürchteter Nachteile bei Bekanntwerden der Diagnose.

Die stigmatisierende Wirkung der Meinungsbildung über die möglichen Gefährdungen durch Menschen mit psychischen Erkrankungen wird in den letzten Tagen durch Stimmen aus der Politik noch verschärft. Führende Politiker fordern, die ärztliche Schweigepflicht für den Fall zu lockern, dass Patienten mit psychischen Erkrankungen in verantwortungsvollen Positionen sind.

Solche Forderungen sind für Menschen mit psychischen Erkrankungen kränkend und sie gefährden das Arzt-Patienten-Verhältnis. Sie werden dazu führen, dass betroffene Menschen seltener und vielleicht zu spät Hilfe und Behandlung suchen. Stellt ein Arzt bei einem Patienten aufgrund seiner psychischen Erkrankung Gefährdungstendenzen fest – und dies gilt sowohl für Selbst- als auch für Fremdgefährdung – so ist er zu gezieltem vorbeugendem beziehungsweise die Gefährdung bekämpfendem Handeln berufsrechtlich schon jetzt verpflichtet. Bei Gefährdung höherer Rechtsgüter, z. B. Leib und Leben Anderer, ist die ärztliche Schweigepflicht in der Regel nicht mehr bindend. Juristisch stehen ihm dazu der Paragraph 34 Strafgesetzbuch (rechtfertigender Notstand) und vor allem die Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetze der Länder zur Verfügung, die eine sofortige Unterbringung in den geschützten Bereich eines psychiatrisch-psychotherapeutischen Krankenhauses vorsehen.

Eine darüber hinausgehende Meldepflicht würde Patienten daran hindern, über tabuisierte Gedanken und Gefühle zu sprechen und gegebenenfalls Ärzte dazu verleiten, Gefährdungen zu verkennen, um ihren Patienten in ihrer sozialen und beruflichen Umgebung nicht zu schaden.

Zutiefste Erschütterung, Trauer für die bei der Flugzeugkatastrophe getöteten Menschen und mitfühlende Anteilnahme an dem Leid der Angehörigen prägen in diesen Tagen die Mitglieder von DGPPN, BVDN und BVDP.

Dennoch sollten voreilige spekulative Erläuterungen des möglichen Tatmotivs und vor allem einer möglichen Diagnose einer psychischen Erkrankung des Co-Piloten als Ursachen für die Flugzeugkatastrophe vermieden werden.

30% der Bevölkerung in Deutschland leiden im Laufe ihres Lebens ein- oder mehrfach an einer psychischen Erkrankung und sollten durch die öffentliche und mediale Diskussion nicht diskriminiert und stigmatisiert werden.

Eine so genannte Meldepflicht für psychische Erkrankungen und das Durchbrechen der ärztlichen Schweigepflicht wird die Angst und die Scham der von psychischer Erkrankung Betroffenen erhöhen und eine frühzeitige sachgerechte Behandlung verhindern.

Uneingeschränkte Priorität hat bei der Vielzahl der von psychischen Erkrankungen betroffenen Menschen das frühzeitige Erkennen und eine konsequente professionelle Behandlung.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 07:08
meine Dank an dich @Menetekel für den Fund der Stellungsnahme und fürs Einstellen. Hier nochmal der Link zur DGPPN:

http://www.dgppn.de/publikationen/stellungnahmen/detailansicht/article//stellungnahm-38.html (Archiv-Version vom 07.04.2015)
Zitat von MenetekelMenetekel schrieb:Die Diagnose einer jeden psychischen Erkrankung bezeichnet ein Muster von Symptomen, das sich aufgrund sehr unterschiedlicher psychischer Entwicklungen, psychosozialer Belastungen und biologischer Voraussetzungen entwickelt. Bei manchen Menschen mit einer akuten psychischen Störung können beispielsweise eine schwierige Persönlichkeitsentwicklung mit Selbstwertproblemen, übermäßiger Ehrgeiz und belastende aktuelle Lebensumstände für ihr Handeln viel entscheidender sein als eine gleichzeitig bestehende „akute psychische Störung“. Auch diese Zusammenhänge müssten – neben vielen anderen – in der weiteren Diskussion um das Handlungsmotiv des Co-Piloten berücksichtigt werden.



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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 09:15
@Menetekel
Sehr gute Stellungnahme wie ich finde... so erwartet man es auch von guten Ärzten, nämlich keine Ferndiagnosen zu stellen sondern darauf hinweisen, dass zu wenig bekannt ist, um sich daraus ein Bild machen zu können.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 15:24
angenehme Ruhe hier. man könnte meinen, die Diskussionsteilnehmer sind zur Vernunft gekommen oder aber es sind inzwischen alle bei den VTlern :)


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 15:38
Ungeheuerlich: Frau gab sich als Angehörige aus und trauerte an der Unfallstelle

Diese Geschichte ist schier unglaublich: Wie die "Halterner Zeitung" berichtet, hat sich eine Frau als Angehörige eines Opfers von Flug 4U9525 ausgegeben, um an der Unfallstelle zu trauern. Zweimal sei sie auf Kosten der Lufthansa nach Frankreich gereist, habe dort sowohl den Absturzort als auch die Gedenkstätte besucht. Sie nahm sogar die Hilfe der Psychologen vor Ort in Anspruch.

Bei der zweiten Reise wurde die Lufthansa stutzig, der Betrug flog auf. Gegenüber der "Halterner Zeitung" bestätigt der Vater des Opfers, zu dem die Frau angeblich eine Verbindung hatte, sie sei weder eine Angehörige noch eine Freundin oder Bekannte gewesen. Es handele sich um eine Betrügerin.

Die Lufthansa spricht gegenüber der Zeitung von einem "bedauerlichen Einzelfall". Es habe die unbürokratische Hilfe für Angehörige im Vordergrund gestanden. Wie die "Halterner Zeitung" schreibt, wurde noch kein Strafantrag gestellt.


http://www.focus.de/panorama/welt/germanwings-absturz-im-news-ticker-eu-ruege-deutschland-kontrolliert-piloten-gesundheit-zu-lasch_id_4598071.html


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 15:45
Bei dem Gedenkgottesdienst für die Opfer des Germanwings-Absturzes im Kölner Dom würde der Stadtdechant gerne auch eine Kerze für den Copiloten anzünden. "Auch seine Angehörigen haben einen Verlust zu beklagen. Das Anzünden wäre ein würdevolles Symbol, mit dem man der Toten gedenken kann", sagte Robert Kleine dem "Express". Als Stadtdechant ist er der oberste Repräsentant der katholischen Kirche in Köln.



Rechtliche Unsicherheit geklärt

Das Luftfahrtbundesamt (LBA) widersprach unterdessen Mutmaßungen, bei der Erteilung der Fluglizenz des Germanwings-Copiloten könnten Informationspflichten verletzt worden sein. LBA und Lufthansa seien zu der gemeinsamen Überzeugung gekommen, dass die Verfahrenswege zur Erlangung der Fluglizenz eingehalten worden seien, erklärte die Behörde am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters.

http://www.welt.de/vermischtes/article139323762/Koelner-Stadtdechant-fordert-Kerze-fuer-Andreas-L.html


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 15:56
Zitat von KerryKerry schrieb:Rechtliche Unsicherheit geklärt

Das Luftfahrtbundesamt (LBA) widersprach unterdessen Mutmaßungen, bei der Erteilung der Fluglizenz des Germanwings-Copiloten könnten Informationspflichten verletzt worden sein. LBA und Lufthansa seien zu der gemeinsamen Überzeugung gekommen, dass die Verfahrenswege zur Erlangung der Fluglizenz eingehalten worden seien, erklärte die Behörde am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters.

http://www.welt.de/vermischtes/article139323762/Koelner-Stadtdechant-fordert-Kerze-fuer-Andreas-L.html
aha. Darin heißt es weiter:
Dies sei eines der Ergebnisse eines mehrstündigen Gesprächs von LBA-Präsidenten Jörg Mendel am Dienstag mit Lufthansa-Chef Carsten Spohr. "Das Gespräch war sehr konstruktiv und substanziell", erklärte das LBA.

Andreas L. litt nach Angaben der Ermittlungsbehörden an Depressionen. Die "Welt am Sonntag" hatte darüber berichtet, dass der medizinische Dienst der Lufthansa das LBA nicht von der Erkrankung des Germanwings-Copiloten Andreas L. unterrichtet hatte. Da es April 2013 eine Änderung der Vorschriften aufgrund einer EU-Vorschrift gegeben hatte, hätte daraus eine Berichts- und Verweisungspflicht im Fall einer Depression folgen können. Diese rechtliche Unsicherheit ist nun im Gespräch zwischen dem Lufthansa-Chef Spohr und dem LBA-Präsidenten Jörg Mendel am Dienstag dieser Woche ausgeräumt worden.
ist ja schön, dass die LH und LBA das klären konnten. Überzeugend klingt für mich trotzdem etwas anders.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 16:20
Edit: Beitrag von FadingScreams (Seite 740)

ich erinnere mal an diesen Post hier: Beitrag von J.Watson (Seite 731)

oder hier: Beitrag von J.Watson (Seite 731)


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 16:33
dazu erklärt die SZ etwas mehr:
Haftungsfragen im Fall der abgestürzten Germanwings-Maschine

Die Frage, ob alle Vorschriften eingehalten wurden, ist unter anderem wegen versicherungsrechtlicher Haftungsfragen von Bedeutung. Der Versicherer Allianz geht davon aus, dass auf die Versicherungsunternehmen im Zusammenhang mit dem Germanwings-Absturz Zahlungen von etwa 300 Millionen Dollar (279 Millionen Euro) zukommen werden.
http://www.sueddeutsche.de/panorama/germanwings-absturz-luftfahrtbundesamt-spricht-lufthansa-von-fehlern-im-fall-lubitz-frei-1.2428415
Könnte also bedeuten, dass das Spiel um den "schwarzen Peter" erstmal nur pausiert, damit die Schadensabwicklung erstmal "unbürokratisch" anlaufen kann?

Das finde ich natürlich sehr vernünftig.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 16:35
Hier mal eine interessante Stellungsnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde zum Thema...

Stellungnahme zum Absturz von Flug 4U9525
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, der Berufsverband Deutscher Nervenärzte und der Berufsverband Deutscher Psychiater sind zutiefst erschüttert von der Tragödie des Absturzes des Germanwings-Fluges 4U9525.

Wir trauern um die bei dem Absturz ums Leben gekommenen Menschen. Unsere Gedanken sind bei den von unvorstellbarem Leid getroffenen Angehörigen, die nicht nur in diesen Tagen, sondern auch langfristig alle erdenkliche psychologische und medizinische Unterstützung erhalten sollten.

Die Angehörigen, aber auch die gesamte Bevölkerung, wollen eine Erklärung für dieses unsägliche Unglück: Welche Motive bewegten den Co-Piloten dazu, ein vollbesetztes Passagierflugzeug wahrscheinlich absichtlich abstürzen zu lassen?

Die öffentliche Diskussion, die größtenteils auf der Basis von Spekulationen geführt wird, rückte schnell die Diagnose Depression, an der der Co-Pilot vor mehreren Jahren vermeintlich erkrankt war, in den Mittelpunkt.

Die DGPPN als wissenschaftliche Fachgesellschaft hält es für unangemessen, auf der Basis unvollständiger Informationen die mögliche Rolle einer psychischen Erkrankung bei dem mutmaßlichen Entschluss des Co-Piloten, die Maschine zum Absturz zu bringen, zu diskutieren. So fehlen Angaben zur Lebensgeschichte, der Persönlichkeitsentwicklung, der Kranken- und Behandlungsgeschichte, über die aktuelle Symptomatik und Therapie, den Medikamentengebrauch sowie über die aktuellen Lebens- und die konkreten Handlungsumstände. Nur in Kenntnis dieser Informationen könnte eine fundierte Diagnose gestellt werden und eine Ursachenzuschreibung erfolgen.

Wir erleben mit großer Bestürzung eine völlig übereilte, von Spekulationen getragene, Meinungsbildung zu psychischen Erkrankungen als Ursache für den wahrscheinlich willkürlich herbeigeführten Flugzeugabsturz.

Die Diagnose einer jeden psychischen Erkrankung bezeichnet ein Muster von Symptomen, das sich aufgrund sehr unterschiedlicher psychischer Entwicklungen, psychosozialer Belastungen und biologischer Voraussetzungen entwickelt. Bei manchen Menschen mit einer akuten psychischen Störung können beispielsweise eine schwierige Persönlichkeitsentwicklung mit Selbstwertproblemen, übermäßiger Ehrgeiz und belastende aktuelle Lebensumstände für ihr Handeln viel entscheidender sein als eine gleichzeitig bestehende „akute psychische Störung“. Auch diese Zusammenhänge müssten – neben vielen anderen – in der weiteren Diskussion um das Handlungsmotiv des Co-Piloten berücksichtigt werden.

Etwa 90% der jährlich circa 10.000 Suizide in Deutschland erfolgen vor dem Hintergrund einer oft nicht erkannten oder nicht optimal behandelten psychischen Erkrankung. Dabei werden die Suizide fast ausschließlich alleine durchgeführt. Sehr selten kommt es zu einem erweiterten Suizid, bei dem der Selbsttötung die Tötung eines oder mehrerer Anderer vorausgeht. Dabei handelt es sich zumeist um nahe Bezugspersonen, welche der Erkrankte nicht in der von ihm als ausweglos erlebten Situation zurück lassen möchte. In dieses Muster passt das nun diskutierte, mutmaßliche Handeln des Co-Piloten in keinster Weise. Ein wahrscheinlich absichtlich herbeigeführter Absturz eines Passagierflugzeuges durch einen Piloten ist ein extrem seltenes Phänomen. International konnte nur in einem Fall der Suizid als Ursache zweifelsfrei nachgewiesen werden.

In der öffentlichen Diskussion wird fälschlicherweise vermittelt, dass von psychischen Erkrankungen, insbesondere eine der häufigsten, der Depression, Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen, gegen die Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Dadurch werden Menschen mit einer psychischen Störung, und das sind – betrachtet man die Lebenszeit eines Menschen – nach dem letzten Gesundheitssurvey des Robert Koch-Instituts 2011 mehr als 30% der Bevölkerung, öffentlich diskriminiert. Die auch heute immer noch bestehende Angst und Scham, die viele Menschen mit einer psychischen Erkrankung haben und die sie häufig vor anderen verbergen wollen, wird durch die Berichterstattung der letzten Tage verstärkt. Der Wunsch und die Motivation, verfügbare, wirksame und erfolgreiche Therapiemethoden (Psychotherapie und Medikamente) in Anspruch zu nehmen, wird weiter reduziert. Schon bisher nehmen beispielsweise weit weniger als 50% der an Depression Leidenden medizinische und psychotherapeutische Hilfe in Anspruch – u. a. auch wegen befürchteter Nachteile bei Bekanntwerden der Diagnose.

Die stigmatisierende Wirkung der Meinungsbildung über die möglichen Gefährdungen durch Menschen mit psychischen Erkrankungen wird in den letzten Tagen durch Stimmen aus der Politik noch verschärft. Führende Politiker fordern, die ärztliche Schweigepflicht für den Fall zu lockern, dass Patienten mit psychischen Erkrankungen in verantwortungsvollen Positionen sind.

Solche Forderungen sind für Menschen mit psychischen Erkrankungen kränkend und sie gefährden das Arzt-Patienten-Verhältnis. Sie werden dazu führen, dass betroffene Menschen seltener und vielleicht zu spät Hilfe und Behandlung suchen. Stellt ein Arzt bei einem Patienten aufgrund seiner psychischen Erkrankung Gefährdungstendenzen fest – und dies gilt sowohl für Selbst- als auch für Fremdgefährdung – so ist er zu gezieltem vorbeugendem beziehungsweise die Gefährdung bekämpfendem Handeln berufsrechtlich schon jetzt verpflichtet. Bei Gefährdung höherer Rechtsgüter, z. B. Leib und Leben Anderer, ist die ärztliche Schweigepflicht in der Regel nicht mehr bindend. Juristisch stehen ihm dazu der Paragraph 34 Strafgesetzbuch (rechtfertigender Notstand) und vor allem die Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetze der Länder zur Verfügung, die eine sofortige Unterbringung in den geschützten Bereich eines psychiatrisch-psychotherapeutischen Krankenhauses vorsehen.

Eine darüber hinausgehende Meldepflicht würde Patienten daran hindern, über tabuisierte Gedanken und Gefühle zu sprechen und gegebenenfalls Ärzte dazu verleiten, Gefährdungen zu verkennen, um ihren Patienten in ihrer sozialen und beruflichen Umgebung nicht zu schaden.

Zutiefste Erschütterung, Trauer für die bei der Flugzeugkatastrophe getöteten Menschen und mitfühlende Anteilnahme an dem Leid der Angehörigen prägen in diesen Tagen die Mitglieder von DGPPN, BVDN und BVDP.

Dennoch sollten voreilige spekulative Erläuterungen des möglichen Tatmotivs und vor allem einer möglichen Diagnose einer psychischen Erkrankung des Co-Piloten als Ursachen für die Flugzeugkatastrophe vermieden werden.

30% der Bevölkerung in Deutschland leiden im Laufe ihres Lebens ein- oder mehrfach an einer psychischen Erkrankung und sollten durch die öffentliche und mediale Diskussion nicht diskriminiert und stigmatisiert werden.

Eine so genannte Meldepflicht für psychische Erkrankungen und das Durchbrechen der ärztlichen Schweigepflicht wird die Angst und die Scham der von psychischer Erkrankung Betroffenen erhöhen und eine frühzeitige sachgerechte Behandlung verhindern.

Uneingeschränkte Priorität hat bei der Vielzahl der von psychischen Erkrankungen betroffenen Menschen das frühzeitige Erkennen und eine konsequente professionelle Behandlung.
Vollste Zustimmung und ein weiterer Beleg dafür diesen Berufsstand aus der Verantwortung zu nehmen.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 19:26
@behind_eyes
Zitat von behind_eyesbehind_eyes schrieb:Vollste Zustimmung und ein weiterer Beleg dafür diesen Berufsstand aus der Verantwortung zu nehmen.
Welchen Berufsstand meinst du jetzt und aus welcher Verantwortung nehmen?


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 20:00
@obskur
@behind_eyes
Für mich ist das eher ein Beleg dafür, dass Betroffene mächtig Angst vor einer Stigmatisierung haben.
Das ist aber nicht die Schuld des Arztes, sondern die der Gesellschaft, die diese Stigmatisierung vornimmt.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 20:04
Die Gesellschaft kann man aber nicht adhoc ändern.
Die Verantwortung die den Psychologen etc. hier aber überholfen wird, der sie jetzt sogar nachweislich nicht im geforderten Ausmaß gerecht werden KÖNNEN, sollte aber schnellstmöglich entzogen werden.

Es kann nicht sein das man sich auf das Urteil eines Psychologen beziehen MUSS, welches nachweislich nur unter o.g. sehr günstigen Eckdaten der Wahrheit entspricht.

Wenn ich geröntgt werde und mich bewege ist das Röntgenergebnis auch als ungültig zu bewerten weil man ja nicht wirklich was darauf erkennen kann....klingt für manchen hier jetzt wahrscheinlich lächerlich aber die Analogie ist diesselbe, der Schluss nur ein anderer.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 20:11
@behind_eyes
Aber bisher haben die Psychologen doch keine Verantwortung, außer natürlich dem Patienten gegenüber und diesen kann er nur helfen, wenn er die Wahrheit sagt.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 20:15
@obskur
Gab es in diesem Fall denn keine Psychologen die damals seine Flugtauglichkeit nach der Ausbildungspause sowie jährlich immer wieder bescheinigt haben, hinsichtlich AUCH seiner psychischen Verfassung ?

In den bekannten Grenzen ihrer Analysetätigkeit sowie der dynamischen Abhängigkeit der Prognosebegünstigenden Faktoren sollte hier die Wichtung zur Entlastung der Psychologen führen.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 20:17
@behind_eyes
Zitat von behind_eyesbehind_eyes schrieb:Gab es in diesem Fall denn keine Psychologen die damals seine Flugtauglichkeit nach der Ausbildungspause sowie jährlich immer wieder bescheinigt haben ?
Antwort:
Zitat von obskurobskur schrieb:und diesen kann er nur helfen, wenn er die Wahrheit sagt.
Ergo: zeigt der Patient nicht, dass es ihm schlecht geht, dann kann auch kein Psychologe etwas anderes behaupten.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 20:18
@schokoleckerli
DANN sollte man aber dem Psychologen die Wichtung entziehen. Es ist ja allgemein bekannt wie man tricksen kann.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 20:19
@behind_eyes
Nein gab es eben nicht... er kam als geheilt zurück und ist durch alle Tests gegangen, natürlich auch psychologische, die aber nicht nach Krankheiten suchen, sondern ob der Anwärter psychologisch geeignet ist für diesen Beruf. Auch die jährlichen Medicals beinhalten keine psychologischen Untersuchungen.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 20:22
@obskur
Selbe Analogie. Dann sind die Tests ungeeignet. Es bleibt dasselbe.

Kernaussage:

Man kann die Psyche eines Menschen NICHT in dem Maße, wie es sich hier gebührt, durchschauen und bewerten. Das ist ein Fakt.

Deswegen raus damit aus dem Prozess der Tauglichkeitsbewertung, am Ende haben sich ja viele genau darauf verlassen.


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Germanwings-Maschine mit 150 Menschen in Südfrankreich abgestürzt

09.04.2015 um 20:22
@behind_eyes
Ich finde es etwas einfach, zu sagen, dann muss man eben dem oder dem die Verantwortung entziehen.
Vor zig Seiten schrieb ich schon mal, dass der einzige Weg, eine unregelmäßige Psyche zu erkennen der ist, die zu begutachtenden Patienten mindestens mehrere Wochen zu beobachten.

Ansonsten kann man keinem Arzt die Schuld für etwas in die Schuhe schieben, was die Gesellschaft verbockt.

Angenommen: der verantwortungsvolle Doc bescheinigt Dir, dass ich manisch depressiv bin. Natürlich wirst Du mir dann sofort jede Verantwortung entziehen und panische Angst haben, wenn ich ein Messer in die Hand nehme, um Kartoffeln zu schälen :)

Ist das der richtige Weg?


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