Ich glaube, bei dieser Diskussion gehen zwei Sichtweisen parallel, einmal die juristische, andererseits die gesellschaftliche/psychologische Sicht. Aus juristischer Sicht ist es für den TV bestimmt ratsam zu schweigen. Nun besteht der Angeklagte aber nicht nur aus juristischen Rechten, er hat auch Familie, Freunde, Arbeitsplatz (den evtl. schon nicht mehr). Man muss sich das halt mal ganz konkret vorstellen: diese eng verbandelte Familie, die großen Kummer und sicher sehr viele Fragen an ihn hat, sieht er täglich, er kriegt hautnah mit, wie es ihnen geht, bei einem verschwundenen Kind ist man doch pausenlos am Durchdrehen, Vater Reusch hat ihn sogar in aller Öffentlichkeit dazu aufgerufen zu reden. Er macht das aber nicht und beruft sich auf sein Schweigerecht. Es gibt da eine Aussage von dem Vater, F. habe ihm gesagt, er "dürfe" mit ihm nicht darüber reden, weil seine Anwältin ihm das verboten habe. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Woran es mir hier in der Diskussion manchmal fehlt, ist, dass sich einige sich in so eine konkrete Situation nicht hineinversetzen wollen oder können, insofern kann ich
@behind_eyes gut verstehen. Also: meine Tochter ist verschwunden, mein Schwiegersohn
gilt bei der Polizei als tatverdächtig und er antwortet mir auf meine Fragen mit: tut mir leid, meine Anwältin sagt, ich muss die Klappe halten. Weiß ja nicht, wie ihr das findet, aber ich würde so jemanden rausschmeißen.
Und dieses Argument: "wenn er unschuldig ist und nichts zu seiner Entlastung vorbringen kann, soll er schweigen", ist auch sehr theroretisch. Angenommen, er ist wirklich unschuldig und war mit dem Auto aus anderen Gründen in Brandenburg. Er kann doch in dem Moment, wo er nach einem Alibi gefragt wird, gar nicht abschätzen, ob das überprüfbar ist oder nicht. Da erzählt man doch erst mal ausführlich. Ob einen jemand gesehen hat, ob man geblitzt wurde, das wird sich doch erst im Laufe der Recherchen herausstellen. Er könnte auch Beschreibungen geben von den Orten, wo er war, Baustellen, Unfälle, kaputte Ampeln, geschlossene Geschäfte o.ä., sonst was Auffälliges, also das würde doch alles recherchiert werden, denn die Polizei ist verpflichtet, auch Entlastendes zu sammeln. Da kommt man doch nicht auf die Idee, sofort zu sagen: ich kann eh nix beweisen, also bin ich lieber gleich TV in einem Mordfall.