@ Origines
Ich habe mir das Ganze durch den Kopf gehen lassen, da die Fragen die besonderen Nachfragen des Gerichts an die Ermittler Deiner These doch widersprechen.
Origines schrieb:Es hängt halt davon ab, ob zum Zeitpunkt X (vor der Eröffnung der Beschuldigung) bereits objektiv ein Anfangsverdacht vorgelegen hat.
So lange die Verdachtslage diffus war, noch unklar war, was, wie und wo die befragte Person einen Bezug zur Tat hatte, nicht "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" (§ 152 Abs. 2 StPO) gegen den Verdächtigen vorlagen, sondern subjektiv der kriminalistische Spürsinn geweckt wurde, aber noch "abgeklopft" wurde, ist das noch nicht gegeben. Es darf nicht "ins Blaue hinein" beschuldigt werden.
Deine Definition dürfte den Bereich wie Hausdurchsuchung, DNA etc. bestimmt sein. Er wird jedoch nicht den Bereich Zeugenbefragung/Verhör abdecken.
Wer stellt denn den sogenannten „objektiven“ Anfangsverdacht fest? Erst ein Gericht. D.h. ein Betroffener kann daher gegen diese Maßnahmen Rechtsmittel einlegen, bis eine Gericht rechtskräftig darüber entschieden hat. Das erst bestimmt endgültig, ob ein objektiver Anfangsverdacht vorgelegen hat. Im ungünstigsten Fall wird es erst durch den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bestimmt.
Hat keiner vorgelegen, dann sind sämtliche Informationen, die trotzdem bei Hausdurchsuchungen etc. erlangt sind rechtlich nicht verwertbar, obgleich sie stattgefunden haben.
Anders ist es bei der Zeugen-/Beschuldigtenvernehmung. Da liegt es im Interesse der Ermittler den Zeugenstatus soweit nach hinten raus zuschieben, wie es geht, denn als Zeuge muss er aussagen. Manchmal wird die Schranke dabei überschritten. Wenn die Befrager den Zeugen dann trotzdem nicht aufklärt, sie jedoch subjektiv meinen, den Täter vor sich sitzen zu haben und ihn dann
entsprechend auch befragen, dann kommt es aus meiner Sicht nur darauf an, ob sie in diesem Moment denjenigen für verdächtig bzw. sogar für den Täter hielten. Sind sie dieser Ansicht, müssen sie den Betroffenen auf seine Recht aufklären. Tun sie das nicht, dann kann es ein Beweisverwertungsverbot geben.
Ist so etwas passiert, werden häufig Beamte nicht zugeben, dass sie denjenigen schon für den Täter hielten. Sie werden es leugnen (was kritisch werden kann, da meist mehrere die Befragung durchgeführt haben) oder sich daran nicht mehr erinnern. Um den Betroffenen zu schützen, muss sich daher das Gericht genau die gestellten Fragen ansehen. Und da spielt es dann eine Rolle, ob man diese Fragen einem Zeugen stellen würde, der noch nicht verdächtigt ist. Das geschieht aktuell in diesem Verfahren. Das Gericht hat die kritischen Fragen erkannt und hat danach die Beamten befragt. Sämtliche Beamte, welche damals an der Befragung teilgenommen haben, haben sich auf Erinnerungslücken berufen.
Es gibt in diesem Fall keine Rechtfertigung der Beamten, dass sie diese Fragen auch dann gestellt hätten, wenn sie die Person noch nicht als Täter gesehen hätten. Das wiegt natürlich schwer. Angenommen das Gericht hat nun keine Idee, warum diese Fragen einem normalen Zeugen gestellt worden wäre. Dann wird das Gericht abhängig von den Fragen feststellen müssen, dass es keine Zeugenvernehmung mehr war, Er hätte über seine Rechte aufgeklärt werden müssen. Für mich wäre das Befragen eines Zeugen nach sexuelle Dingen für den Fall, dass die Beamten ein sexuelles Motiv vermuten, ein ganz klares NoGo. Die vom Zeugen verlangte Spekulation nach dem Tatablauf wiegt da nicht ganz so schwer, man muss sich aber fragen, wozu die sonst dienen soll als an vermeintliches Täterwissen zu gelangen.
Ich denke, wir können hier auch auf die nächsten Verhandlungstage warten, möglicherweise positioniert sich dann schon das Gericht. Aber vielleicht könnte hier ein Strafrechtler z.B.
@Rick_Blaine uns da aufklären.