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Mordfall Hinterkaifeck

51.749 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Bauernhof, Hinterkaifeck ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mordfall Hinterkaifeck

Mordfall Hinterkaifeck

24.01.2013 um 01:49
ja die Theorie greift bei mir auch immer wieder...die fehlende Akte von Haas und die Arbeit der Polizei..Andere Gedankengänge stiess ich nach einer Zeit ab diese nie!!!

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zilch ehemaliges Mitglied

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Mordfall Hinterkaifeck

24.01.2013 um 09:21
@DexterMorgan:

Mein Tip für den "Einstieg" ins Thema Hinterkaifeck:

1. Besuche zunächst ein Forum, das sich ausschließlich damit beschäftigt. Es gibt tatsächlich mehrere davon, ein großes mit über 300 Teilnehmern und noch 4 oder 5 kleinere.

2. Lies Dir dort die Originalakten durch. Und zwar je zeitnäher an 1922, desto besser.

3. Lies den allmy-Thread nur zur groben Orientierung. Denn die frühen Beiträge (2008 bis 2010/11) sind allsamt von ein paar wenigen Autoren geprägt, welche damals bereits Akteneinsicht hatten. Ohne ernsthafte Prüfung haben sie sich fast alle sofort auf Lorenz Schlittenbauer als Täter festgelegt und somit sind diese Beiträge leider selten objektiv.

Ab 2010/11 waren dann die Akten für die breite Öffentlichkeit einsehbar, und plötzlich entwickelte sich auch eine ernsthafte Forschung im semi-professionellen Bereich, welche seither viel Licht ins Dunkel brachte. Viele frühe Meinungen und Annahmen sind Stand heute nicht mehr haltbar.

Statt Meinungen zu lesen wäre es also besser, sich mit den Fakten zu beschäftigen, um sich selbst ein Urteil bilden zu können.

Und nun: Viel Spaß beim Erforschen dieser ungewöhnlichen Geschichte.


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Mordfall Hinterkaifeck

24.01.2013 um 21:33
@DexterMorgan
Zitat von zilchzilch schrieb: 2. Lies Dir dort die Originalakten durch. Und zwar je zeitnäher an 1922, desto besser.
Das Ganze in aufbereiteter Form:
http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Hauptseite


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Mordfall Hinterkaifeck

26.01.2013 um 01:40
@Heike75
Zitat von Heike75Heike75 schrieb:Keiner, weder die Staatsanwaltschaft noch die Ermittler sahen in LS den Täter. Ein wichtiger Punkt, denn 4 Staatsanwälte und 2 Kriminaloberinspektoren können ja nicht "durch die Bank weg" Schlafmützen gewesen sein...
Das sehe ich ganz anders. Speziell in diesem Fall. Und auch sonst kenne ich Fälle, da könnte ich zu den "Schlafmützen" noch einen Haufen Richter draufpacken. Außerdem sei angemerkt: Nur weil man einen Täter letztlich nicht als solchen enttarnt, muss man nicht zwingend eine Schlafmütze sein.

Zum Thema Fememord sei am Rande erwähnt:
Ich bin ja selbt ziemlich offen für verschiedene potentielle Tatabläufe, aber die Fememord-Theorie scheint mir doch zu den eher äußerst unwahrscheinlichen zu gehören.

@DexterMorgan

Es ist leider so, dass sich dieser Fall - ganz nüchtern betrachtet - nicht mal mehr annährend noch aufklären lassen wird. Dafür fehlen schon aus den ursprünglichen Ermittlungsakten viel zu viele Informationen. Der komplette Sonderakt Schlittenbauer fehlt. Der Tatort fehlt. Die zeitnah angefertigten Skizzen der Gerichtskommission vom Tatort fehlen. Die Zeugen fehlen. Die Zeugenaussagen fehlen teilweise. Und das sind die Dinge, die die Ermittler damals noch hatten. Von den Dingen, die die Ermittler es unterlassen haben, in brauchbarer Weise zu untersuchen und somit überhaupt die Daten zu beschaffen, wollen wir erst gar nicht anfangen.

Man kann natürlich auf Basis dieses völlig lückenhaften Material erst mal spekulativ versuchen zu rekonstruieren, was die Ermittler so an Material hatten und dann auf dieser Basis weiter spekulieren, wie es denn gewesen sein könnte. Im Ergebnis wird man dann eine ganz Reihe als eher wahrscheinlich und einige als eher unwahrscheinlich einzustufende Tatabläufe und potentielle Täter haben. Abgesehen von überraschenden Funden bislang unbekannter Akten und/oder Tätergeständnissen wird es dazu nichts Weiterführendes mehr geben.

Spannend zu lesen ist das ganze natürlich schon. Ich wollte nur nochmal klarstellen, dass Du icht mit der Erwartung daran gehen solltest, dass sich der Fall für Dich klären wird. Was mich ja immer wieder überrascht ist, mit welcher Vehemenz bestimmte Theorien vertreten, wo doch relativ klar ist, dass es wenn überhaupt nur eine unter vielen möglichen - und in einigen Fällen sogar einer der eher unwahrscheinlicheren - ist.


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Mordfall Hinterkaifeck

26.01.2013 um 01:52
@DerGreif
Nein klären wird man den Fall womöglich nie.
@zilch
danke dir aber die Foren und die Akteneinsicht sind mir bekannt.Mir ging es nur darum das ich bevor ich hier Theorien bringe erst mich durchlesen will...ich finds sehr intressant:)


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Mordfall Hinterkaifeck

26.01.2013 um 18:06
@DerGreif
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Das sehe ich ganz anders.
Was genau siehst Du ganz anders?
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Nur weil man einen Täter letztlich nicht als solchen enttarnt, muss man nicht zwingend eine Schlafmütze sein.
Da bin ich doch ganz bei Dir!

Weil es aber gerade in diesem Thread immer wieder die Aussage gab: "Die Staatsanwaltschaft und die Kriminaler waren Schlafmützen, deshalb haben sie den Lenz nicht dran gekriegt"... habe ich den Satz mit den Schlafmützen bewusst so geschrieben... alle doof, weil sie den Lenz nicht dran gekriegt haben? Wohl kaum.

Aber gut, "spinnen" wir den Faden mal weiter:
Der erste StA. im Fall war F. Renner. Hier seine Vita:
http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Ermittler:_Renner_Ferdinand

Dat war keen Dummerchen, unser Renner...

Er hatte im April 22 Ermittlungen eingeleitet und deren Ergebnis lautet:
Für Schlittenbauer, der selbst als verdächtig bezeichnet wurde, im übrigen aber allgemein als etwas sonderbarer, aber harmloser, gutmütiger und stets hilfsbereiter Mensch geschildert wird und selbst vermögend ist, ist ein Motiv der Tat nicht erkennbar.

Trotzdem gab es ja weiterhin das Gerücht um Schlittenbauer... Renner muss erneut Ermittlungen eingeleitet haben, denn er schrieb im Mai 22:

Kürzlich ist auch wieder der schon in den früheren Berichten genannte Ortsführer Schlittenbauer in Verdacht gezogen worden, allerdings ohne bestimmte Anhaltspunkte. Offenbar wird in der Gegend immer noch von seiner Täterschaft gesprochen. Ich habe trotz der Unwahrscheinlichkeit seiner Täterschaft das ermittlungsverfahren gegen ihn wieder aufgenommen und Erhebungen eingeleitet, die noch im Laufe sind.

Das Ergebnis laut Renner:
Die seit dem Berichte vom 9. September 1922 Nr. 1369 weiter gepflogenen Ermittlungen haben einen Erfolg nicht gezeigt. Das Verfahren gegen das Brüderpaar Andreas und Karl Schreier mußte wegen Unzulänglichkeit der Verdachtsgründe ebenso eingestellt werden, wie das gegen den Ortsführer Schlittenbauer.

StA. Pielmayer, der ja genau das Motiv herausgearbeitet hat, unter dem man ihn heute noch gerne nageln würde...
Aber... er zieht den Lenz nichtmal in den Kreis der Verdächtigen...
Leider ist wenig über sein Lebenslauf bekannt... er könnte also eine Schlafmütze gewesen sein.

StA. Kestel (Staatsanwalt, Oberstaatsanwalt, Landgerichtsrat, Untersuchungsrichter - also wohl eher keine Schlafmütze) hatte sich ein bisschen am Lenz "festgebissen" und liess den Oberinspektor Riedmayer auf den Lenz los. Riedmayer hat sich, laut den Berichten, ganz schön in die Sache reingekniet... Umfangreiche Berichte zu dem bevorstehenden Verhör und das Motiv schildert er auch... ganze 2 Tage hatte er fürs Verhör angesetzt.
Nach dem ersten Verhörtag schickt er den Lenz heim und schreibt:

Anschließend an die Einvernahme wurde Schlittenbauer noch auf die an einzelnen Punkten zu Tage getretenen Unklarheiten seiner Aussagen hingewiesen. Er brachte jedoch seine Antworten in einer Weise vor, dass berechtigte Zweifel an seiner Täterschaft entstehen mussten. Wiederholt beteuerte er unter Tränen seine Unschuld, erklärte, dass er sehr wohl wisse, dass er in der dortigen Gegend als Täter angesehen werde und betonte, dass dies in erster Linie auf sein tatkräftiges Eingreifen als Ortsführer und auf seine Hilfsbereitschaft zurückzuführen sei. Er habe sich eben aus menschlichen Gründen um alles angenommen, habe sich aber nun nach den gemachten Erfahrungen zum Vorsatz gemacht, nie mehr in so selbstloser Weise einzugreifen.
Anhaltspunkte für ein weiteres Vorgehen sind nicht mehr vorhanden.


StA. Dr. Popp (über dessen Lebenslauf nicht viel bekannt ist, aber irgendwie muss er es ja zum Doktortitel gebracht haben, was den Schlafmützenfaktor gering halten dürfte), erwähnt den Lenz nichtmal.

Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen...
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Außerdem sei angemerkt: Nur weil man einen Täter letztlich nicht als solchen enttarnt, muss man nicht zwingend eine Schlafmütze sein.
oder... der Lieblingstatverdächtige ist/war einfach nicht der Täter.
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb: Ich bin ja selbt ziemlich offen für verschiedene potentielle Tatabläufe, aber die Fememord-Theorie scheint mir doch zu den eher äußerst unwahrscheinlichen zu gehören.
Ich möchte auch gern offen sein, offen für Alles... eine Art Fememord passt nicht nur zum Geschehen an sich und dem Vorgehen der Täter, sondern auch in die Zeit.
Ein liebestoller Nachbar, der drei Jahre nach dem "Geschehen" reuthaueschwingend nach HK geht um die Familie zu töten passt sowenig wie die Raubmörder, die die Familie töten um an deren Habe zu kommen um dann "die Hälfte" zurück lassen...
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb: Der komplette Sonderakt Schlittenbauer fehlt.
Was soll denn da so "weltbewegendes" drin stehen? Es hat damals nicht gereicht ihn zu überführen... meinst Du, es würde heute reichen? Wohl kaum.

Was ich einfach nicht nachvollziehen kann ist, was man sich von der Akte erhofft.
Jeder Staatsanwalt und beide Oberinspektoren haben Berichte geschrieben, die uns heute noch zugänglich sind. Sie sehen im Lenz nicht den Täter - zumindest am Ende der Ermittlungen / Verhöre nicht.
Sollen die gleichen 4 Staatsanwälte und die gleichen Kriminaler weiter Berichte geschrieben haben, ihm denen sie genau das Gegenteil behaupten, nur weil die Berichte in der SoA Schlittenbauer abgeheftet werden?

M.M. befand sich in der SoA die "gesammelten Werke" zum Lenz. Es gab immer wieder Gerüchte unter der Bevölkerung... und genau das hat man gesammelt... wie haarsträubend diese Behauptungen waren, sieht man an Sigl.


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Mordfall Hinterkaifeck

26.01.2013 um 23:37
@Heike75

Nach Deiner Logik sind dann die HKler von gar niemandem umgebracht worden - denn die Ermittler waren ja keine Schlafmützen, haben aber niemanden festgenommen.

Oder sie sind von den unbekannten Raubmördern umgebracht worden, die von den "Nicht-Schlafmützen" als Täter "identifiziert" wurden. Da scheinst Du aber plötzlich kein Problem damit zu haben, die Gedankengänge der "hellen Köpfe" abzulehnen.

Ich formuliere es mal so:
- Der Lebenslauf einer Person mag zwar grundsätzlich ein Indiz für seine Fähigkeiten sein, ist es aber auch heute bei Leibe nicht. Um mal ein Beispiel zu bringen: An der Universität, an der ich Jura studiert und später gearbeitet habe, gab es einen Professor. Dieser Professor saß auf dem Lehrstuhl, dem die höchsten Gelder zuflossen, was daran lag, dass der Vorgänger besagten Professors ein zu Recht hoch geachteter Rechtswissenschaftler war (und ist). Darüber hinaus wurde seinem Nachfolger ein weiterer hochrangiger Preis zugesprochen. Wenn man sich das alles so anschaut, dann müsste man denken, dieser Professor ist ein sehr fähiger Mann. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Der Mann hatte keine Ahnung von Jura und ich übertreibe nicht. KEINE! Es ist mal - aus nicht näher zu erörternden Umständen - vorgekommen, dass die Vorlesungen besagten Professors aufgezeichnet und abends nochmal gezeigt wurden. In dieser "Vorlesung" saß allein die versammelte Belegschaft des wissenschaftlichen Mittelbaus, um sich einmal die haarsträubenden essentiellen Fehler dieses Mannes in der Vorlesung anzuhören. Alle seine Veröffentlichungen wurden von seinem hochkarätigen Stab an Mitarbeitern verfasst oder korrigiert, damit sie überhaupt veröffentlichkeitstauglich sind. Dieser Mann hat es geschafft in jeder Berufungskommission die versammelte Gruppe der Professoren der Fakultät vor dem Bewerber bloßzustellen, in dem er peinlichste Erstsemester-Fehler in deren Befragungen einbaute - was die Bewerber zunächst völlig verwirrte - denn wie soll man schon auf Fragen antworten, deren Prämissen schon absurd und geradezu lächerlich falsch sind. Die anderen Professoren haben das dann immer versucht hastig unter den Tisch zu kehren. Ich habe schließlich erfahren, dass dieser Mann durch einen blöden Zufall als Professor berufen wurde und eigentlich jemand ganz anderes den Job bekommen sollte. Dank Verbeamtung auf Lebenszeit und der Masse an Geld kann der gute Professor nun ein herausragendes Team an Mitarbeitern beschäftigen, die den Nimbus des genialen Professors nach außen weiterhin aufrechterhalten werden - während jeder, der den Mann einmal persönlich sprechen hört, kopfschüttelnd sich fragen wird, wie der Mann seine Staatsexamina geschweige denn Promotion und Habilitation geschafft haben will. Und wir reden hier von Bayern im späten 20. Jahrhundert. Kurzum: Diese Lebensläufe in einem Land zu einer Zeit als Beziehungen noch alles waren beweisen mit Sicherheit nicht die Fähigkeite dieser Herren als Ermittlungsbeamten.

- Renner war eine Vollpfeife (aka "Dummerchen") oder hatte vielleicht einfach keine Lust auf diese Ermittlungen. Seine Berichte strotzen nur so von Fehlern und Widersprüchen, sind extrem unpräzise und viel zu knapp. Dinge, die unbedingt hätten veranlasst werden müssen, wurden nicht veranlasst. Statt dessen hat der Mann aber ein paar spiritistische Sitzungen genossen. Allen Ernstes, Renner kann ich nicht im Mindesten Ernst nehmen. Und zu Guter Letzt: Etwas außerordentliches kann ich seinem Lebenslauf nicht entnehmen. Das sieht nach einer sehr gewöhnlichen Beamten-Laufbahn aus.

- Pielmayer halte ich für ein ganz anderes Kaliber als Renner. Sein Bericht hat eine ganz andere Qualität. Allerdings bauen seine Argumente, die LS entlasten sollen, auch im Wesentlichen auf zwei Punkten auf: Mangelndes Motiv (was ich für definitiv falsch halte, dazu werden von mir nochmal detaillierte Ausführungen folgen, ich arbeite gerade an einem umfassenden Rechtsgutachten zu der Thematik) und eine für die damalige Zeit typische völlig verfehlte Einstellung, nämlich dass man die Täterschaft einem Täter ja ansieht, einem "mittelmäßig situierte[n], gut beleumdete[n] Mann, [...] eine solche schauderhafte Tat nicht im Entferntesten zuzutrauen ist".

- Riedmayers Defizite bei dem Verhör sind schon von @pensionär (wenn ich mich recht erinnere) zutreffend angesprochen worden. Tatsächlich halte ich einige Reaktionen von LS in dem Verhör für durchaus verdächtig. Hinzu kommt, dass Riedmayer nichtmal mehr alle kritischen Nachfragen zu den Unklarheiten protokolliert hat. Das ist äußerst schlampig und zeugt nicht von guter Polizeiarbeit.

- Dass Dr. Popp einen Doktor hat, besagt nichts über seine Fähigkeiten als Ermittlungsbeamter. Nicht nur aus den schon ganz zu Anfang genannten Gründen, sondern auch, weil der Doktorgrad damals schon eine wissenschaftliche Auszeichnung für akademisches Forschen im Bereich der Rechtswissenschaften war, also eben gerade nicht zwingend irgendwas mit praktischer Ermittlungsarbeit zu tun hat.

- Darüber hinaus: Ich habe schon mal klar und eindeutig nachgewiesen, dass der Erbschein zum Erbe der ermordeten Viktoria Gabriel schlicht und ergreifend falsch vom Gericht ausgestellt worden ist. Und niemand hat es gemerkt, auch nicht die StA, obwohl es der damaligen Rechtslage weder nach dem, was in der Kommentarliteratur noch in der Rechtsprechung damals vertreten wurde, entsprochen hat. Soviel zur "Unfehlbarkeit" der damaligen Justiz.

Zum Sonderakt Schlittenbauer: Mich interessiert einfach, was dort drin steht oder besser gesagt, drin gestanden hat. Angesichts der Tatsache, dass es sich um einen kompletten Sonderakt handelt, war es wohl einiges an Material. Immerhin wird es gerade nicht dasselbe sein, was uns an wenigen Berichten (insgesamt 3, davon 2 mit jeweils einem Satz, Pielmayer hat sich immerhin zu einem Paragraphen durchgerungen) und Aussagen (2 Stück) erhalten geblieben ist. Ich würde mir einfach gerne selber ein Bild davon machen, was da gegen und für Schlittenbauer zusammengetragen wurde. Ich gehe davon aus, dass der Akt im Wesentlichen Aussagen über Schlittenbauer enthielt (bspw. zu folgenden Fragen des Riedmayer:
"Frage: Die Viktoria Gabriel hat seinerzeit verschiedenen Leuten gegenüber geklagt, daß Schlittenbauer fortgesetzt Geld erpresse?"
"Frage: Nach dem Mord haben Sie sich sofort erkundigt, ob sie ihre Abfindungssumme wieder herausbekommen, die sie für das Kind bezahlt haben. Wie kommen Sie dazu, nachdem Sie doch nichts aus eigenem bezahlt hatten?")

Zur Fememordtheorie:
- Zur Vorgehensweise des/der Täter/s passt vieles. Daran lässt sich ein konkretes Tatmotiv überhaupt nicht festmachen.
- Ein Raubmord passt genauso gut in die Zeit und hat tatsächliche Anhaltspunkte in Form von klar definierten Aussagen über das beträchtliche Vermögen der HKler und zB der Aussage des LS, dass viel davon fehlt. Im Gegensatz dazu hat nie irgendjemand der Knechte und Leute auf dem Hof, geschweige denn die Auffinder und Ermittler, dort etwas beobachtet, was einen Fememord nahelegt. Dass noch "die Hälfte" da war, halte ich im Übrigen für äußerst spekulativ. Es war noch "etwas" da, nämlich schwer zu transportierendes und auch auffälligeres Goldgeld und Wertpapiere, sowie Schmuck. Die letzteren beiden Positionen sind für Diebe nur schwer oder gar nicht verwertbar. Dafür war bis auf einen 5 Mark-Schein überhaupt kein Papiergeld vorhanden.
- Ich halte einen Nachbarn, der einen potentiell stark vermögens- und familienleben-beeinträchtigenden Zivilprozess verhindern möchte für wahrscheinlicher als einen Fememord.

Ich habe mir - immer noch - keine abschließende Meinung über alle potentiellen Tatabläufe gebildet. Wie ich bereits mehrfach ausgeführt habe, halte ich auch jedwede definitive Festlegung auf eine Theorie für reine Makulatur und konstruiert.

Nach allen mir vorliegenden Fakten scheint mir aber der Raubmord tatsächlich etwas wahrscheinlicher zu sein als andere Theorien, aber auch dem LS als Täter, anderen aus der Dorfgemeinschaft - hier dann mehr aus übersteigerten religiösen Motiven, oder einem Erbschaftsmord (Starringer, Gabriel) ggf. zuzüglich weiterer Motivkomponenten wie etwa Rache kann ich durchaus ähnliche Wahrscheinlichkeitsgehalte zurechnen. Für den Fememord fehlt es mir aber im Moment an brauchbaren tatsächlichen Anhaltspunkten, weswegen ich diese Theorie weiterhin als unwahrscheinlich einstufen werde.


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Mordfall Hinterkaifeck

27.01.2013 um 08:25
@DerGreif

Du vertrittst die Auffassung, dass der vom Amtsgericht Schrobenhausen ausgestellte Erbschein betreffend Viktoria Gabriel falsch ist.

Nach diesem Erbschein hat Cäzilia Starringer ihre Halbschwester Viktoria nur zur Hälfte beerbt und die andere Hälfte hat die Gruber-Seite geerbt. Deiner Auffassung nach hätte Cäzilia Starringer Alleinerbin sein müssen, weil sie als Abkömmling der Mutter gemäß § 1930 BGB aF alle nachfolgenden Ordnungen ausschließt zu denen die Grubergeschwister und deren Abkömmlinge gehören.

ME sind die Richter des Amtsgerichts Schrobenhausen, des Landgerichts Neuburg und des Oberlandesgerichts München davon ausgegangen, dass der am 28.12.1885 geschlossene Ehe-und Erbvertrag zwischen Cäzilia Asam und Andreas Gruber Auswirkungen auf das spätere Erbrecht am Besitz von Viktoria Gabriel hat.

Sie haben diesen Ehe-und Erbvertrag beigezogen. Heute existiert dieser Vertrag noch, allerdings ist er in weiten Teilen unleserlich, da er im Laufe der Zeit im Archiv einen Wasserschaden erlitten hat.

Aus diesem Grunde habe ich mich allgemein mit Regelungen in Ehe-und Erbverträgen aus der Zeit vor dem BGB befasst, wo allgemeine Gütergemeinschaft vereinbart worden ist und wo als Besonderheit einer der Parteien Kinder aus erster Ehe hatte.

Diese Verträge weisen alle ein bestimmtes Schema auf.

Nehmen wir den Fall, wie er bei Vertragsschluss Gruber / Asam vorlag, dass die Frau Kinder aus erster Ehe hatte und der Mann keine Kinder hatte. Für den Fall, dass die Frau stirbt ohne Hinterlassenschaft von Kindern aus zweiter Ehe, wurde vereinbart, dass ihr Nachlass zur Hälfte an ihre Kinder aus der ersten Ehe geht und zur anderen Hälfte an den Ehemann. Für den Fall, dass der Mann stirbt ohne Hinterlassenschaft von Kindern aus der Ehe wurde vereinbart, dass sein Nachlass zur Hälfte an seine Eltern bzw. deren Abkömmlinge geht und zur anderen Hälfte an die Ehefrau.

Ich gehe davon aus, dass diese allgemein übliche Regelungen auch im Gruberschen Ehe-und Erbvertrag von 1885 enthalten waren.

Danach sah es so aus, dass, wenn die Eheleute Gruber gleichzeitig versterben ohne Hinterlassenschaft von Nachkommen, (weil die einzige Tochter gleichzeitig mit ihnen gestorben ist) ,das Erbe zur Hälfte an die Tochter der Ehefrau aus erster Ehe geht und zur Hälfte an die Geschwister des Ehemannes.

ME hat dass das Amtsgericht Schrobenhausen aus diesem Grunde die Hälfte des Vermögens Cäzilia Starringer und die andere Hälfte der Gruber-Seite zugesprochen hat. Unter Berücksichtigung eines entsprechenden Ehe-und Erbvertrages erachte ich den Erbschein als rechtmäßig.

Ich gehe außerdem davon aus, dass Cäzilia Starringer, da sie schon ein Vatergut erhalten hatte, sich als „ausgezahlt“ betrachtet hat und mit weiteren Erbansprüchen nicht mehr gerechnet hat.

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StA Renner sehe ich übrigens nicht als Dummerchen oder als jemanden, der null Bock auf nichts hatte. Ich sehe ihn als Staatsanwalt und Beamten, der einfach zu tief im Denken der damaligen Zeit verfangen war. LS war für ihn der Ortsführer, der ein Amt inne hatte und dem ein Amtskollege, der Bürgermeister, ein gutes Leumundszeugnis ausgestellt hat.

Also hat er ihn als gut beleumundeten Teil der Obrigkeit als absolut integer eingestuft, seine Angaben nicht hinterfragt, sondern als gegeben hingenommen und keinen Überprüfungsbedarf gesehen, was objektiv im Nachhinein als schwerer Ermittlungsfehler angesehen werden muss.

Hinzu kommt die Namensgleichheit mit Dr. Sebastian Schlittenbauer, in dessen Wahlkreis auch noch der Tatort lag. Renner mag aufgrund des Amtes von LS und der Namensgleichheit verwandtschaftliche Beziehungen vermutet haben und er wollte es vermeiden durch zu intensive Ermittlungen das Ansehen eines einflussreichen Politikers zu beschädigen, was dann vielleicht auch seiner Karriere nicht dienlich gewesen wäre.

Riedmayr hat mE LS 1931 verdächtigt. Sein Bericht spricht Bände. Aber er hat auch erkannt,dass die Tat aufgrund von Ermittlungsversäumnissen allein durch Indizien nicht nachweisbar ist und dass nur ein Geständnis LS überführen kann. Während der Vernehmung hat er erkannt, dass LS zu einem Geständnis nicht zu bewegen ist. Weitere Ermittlungen in andere Richtungen hat er nicht mehr vorangetrieben. Ihm war mE bewusst,dass der Mordfall nicht mehr aufzuklären ist.

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Der Idee eines Raubmordes kann ich gar nichts abgewinnen. Dagegen spricht einfach, dass die Wertsachen wie Goldgeld und Schmuck zurückgelassen wurden. Jemand, der in Bereicherungsabsicht sechs Menschen tötet, lässt nicht einfach wertvolle Beute wählerisch zurück, weil der Transport unbequem ist oder er sich Gedanken um Schwierigkeiten bei der Verwertung macht.


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Mordfall Hinterkaifeck

27.01.2013 um 11:59
@AngRa

Deine Ausführungen zum Erbrecht sind leider mit dem damals (und heute immer noch) geltenden Erbrecht nicht vereinbar und verkennen grundlegende Rechtsprinzipien, auf denen das BGB aufgebaut ist.

Es geht schließlich um das Erbe der Viktoria, nicht um das Erbe der Eltern. Die Eltern konnten von Viktoria aber nichts mehr erben, weil sie eben gleichzeitig gestorben waren. Deren Erbvertrag konnte auch keinerlei Rechtswirkungen auf die Erbschaft der Viktoria als Erblasserin haben. Eine derartige Bestimmung über das Vermögen Dritter ist nach dem BGB damals wie heute nicht möglich. Dem müsste die Viktoria in irgendeiner Form zugestimmt haben. In Betracht käme da der Übergabevertrag. Dem kann ich aber keine entsprechende Passage entnehmen. Das Gericht stellt auch fest, dass Viktoria keine letztwillige Verfügung getroffen hat.

Hinzu kommt, dass das Gericht den Erbschein explizit nach "gesetzlichem Erbrecht" ausgestellt hat. Hätte es den Erbschein nach Erbvertrag oder Testament ausgestellt, hätte es das angeben müssen. Hier ging es um die vom Gericht festgestellte gesetzliche Erbfolge.

Ich zitiere das Gericht nochmal aus dem Erbschein:
Andreas und Zäzilie Gruber haben für diesen Fall im Erbvertrag erbrechtliche Bestimmungen nicht getroffen. Eine letztwillige Verfügung haben die Eheleute Gruber außer dem Erbvertrag unseres Wissens nicht errichtet. Die Viktoria Gabriel ist ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung gestorben.
Es. tritt infolgedessen gesetzliche Erbfolge ein.
Das ist unzweifelhaft. Und es ist unzweifelhaft falsch. Eine obskure Mischung von irgendwelchen - an sich nicht passenden - erbvertraglichen Regelungen, die die Erblasserin selber gar nicht getroffen hat, mit der gesetzlichen Erbfolge ist im Rahmen des BGB nicht möglich.

Interessant ist ja auch, dass beim Erbe der Cilli (Cilli als Erblasserin) es richtig gemacht und entsprechend richtig aufgeteilt wurde.

Es mag sein, das C. Starringer sich nicht hinreichend auskannte oder tatsächlich glaubte sie sei nicht berechtigt mehr zu erben. Die gesetzliche Erbfolge sieht aber anders aus und ein Erbvertrag der Eltern kann sich nicht darauf auswirken, wie die Tochter ihr Erbe vererbt. Das Gericht ging ausweislich seiner eigenen Formulierungen gerade davon aus, dass der Erbvertrag der Eltern nichts hergibt und hat explizit die gesetzliche Erbfolge anwenden wollen. Daran ist es kläglich gescheitert.

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Renner hat nunmal gravierende Fehler in den Ermittlungen gemacht. Etliche Personen sind nicht zeitnah vernommen worden. Seine Berichte strotzen von Fehlern, sind zu knapp und widersprüchlich. Ich verweise nurmal auf die Würgemale oder die Behauptung, dass Viktoria ein Jahr im Gefängnis war. Renner hat mit diesen Ermittlungen jedenfalls keine Glanzleistung abgeliefert - völlig unabhängig von seiner Einschätzung des LS. Hier stimme ich Dir zu, dass die von Dir angeführten Gründe, warum LS als Täter ausgeschlossen hat, sehr wahrscheinlich sind. Das ist das, was ich auch bei Pielmayer als "Einstellung dieser Zeit" kritisiert habe.

Ich kann allerdings den Ausführungen Riedmayers in den Berichten zum Verhör keine klare Verdächtigung nach dem Abschluss desselben entnehmen. Während des Verhörs mag das anders gewesen sein. Auf welche Passagen beziehst Du Dich da?

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Es gab schon Raubmorde, bei denen die Täter außer Geld nichts mitgenommen haben, obwohl es weitere Wertsachen mitzunehmen gegeben hätte. Generalisierungen wie "Jemand, der in Bereicherungsabsicht sechs Menschen tötet, lässt nicht einfach wertvolle Beute wählerisch zurück, weil der Transport unbequem ist oder er sich Gedanken um Schwierigkeiten bei der Verwertung macht." halte ich auch für völlig verfehlt und wenig hilfreich. Zwischen der Tötung aus Bereicherungsabsicht und dem Mitnehmen von Beute, mit der der Täter nichts anfangen, die ihn aber wohl überführen kann, besteht kein logisch kausaler Zusammenhang. Ein Täter, der so kaltblütig vorgeht, hätte durchaus auch daran denken können, schnell das mitzunehmen, was er leicht und unauffällig transportieren kann. Für Schmuck muss er erstmal einen Hehler finden. Wertpapiere sind soweit namentlich gekennzeichnet sowieso ausgeschlossen. Dabei ist auch schon fraglch, ob die Täter - abgesehen von der Damenuhr - überhaupt Schmuck gefunden haben. Damit bleibt die Theorie für mich weiterhin einer der wahrscheinlichen Tatabläufe.

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PS: Ich arbeite gerade an einem umfangreichen Rechtsgutachten zur Unterhaltsfrage Josef Gruber. Tatsächlich ist es so, dass die rechtliche Situation für LS noch weitaus schlimmer war, als es sich aus einer einfachen Korrektur der Abfindungssumme wegen der Inflation ergeben hätte. Aber dazu später mehr. Ich werde dann auch noch ein paar allgemeinere Ausführungen zur Rechtssituation unehelicher Kinder und den Reformversuchen machen,um die Du gebeten hattest.


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Mordfall Hinterkaifeck

27.01.2013 um 13:10
@DerGreif


Zum Riedmayr Verdacht

Riedmayr merkt in seinem Bericht an, dass in der Vergangenheit immer angenommen worden sei LS fehle ein Tatmotiv.

Er konnte diese Auffassung mE nach dem damaligen Ergebnis der Ermittlungen nicht teilen, weil seiner Meinung nach zum einen die Gründe für die Geldzahlungen im Zusammenhang mit der Geburt des kleinen Josef nicht hinreichend untersucht worden waren.

Außerdem stammt von Riedmayr die Überlegung, dass LS nicht der Vater des Kleinen war, sondern nach Eintritt der Schwangerschaft zum Geschlechtsverkehr zugelassen worden ist, damit man ihm das Inzest-Kind als Kuckuckskind unterschieben kann. Auch das liefert im Zusammenhang mit den späteren Unterhaltsforderungen ein Motiv.


Ein weiterer Punkt, der für seinen Verdacht spricht, ist sein Zitat aus dem Sonderakt Schlittenbauer ( Bl.1) , dass Schlittenbauers Wut dadurch neu aufgestachelt worden sein könnte, wenn er noch zuweilen gefragt wurde, warum er Viktoria Gabriel nicht geheiratet habe.

Nicht zuletzt weist er noch darauf hin, dass LS den Mord gerechtfertigt habe, indem er mit der Hand auf der Bibel zu sagen pflegte, dass die die Blutschande treiben der Zorn Gottes trifft und der Mörder nur ein Werkzeug von Gottes strafender Gerechtigkeit war.


Außerdem spricht mE für seinen Verdacht auch die Festsetzung des Ladungstermins auf den 30.3.1931 mit der Ankündigung der Übernachtungsnotwendigkeit.

Riedmayr war aus der Aussage des Johann Kammer vom August 1930 nämlich bekannt, dass LS fürchterliche Gewissensbisse bekommen soll und niedergedrückt auf der Straße gehe , wenn sich der Jahrestag der Mordtat nähert.



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Zum Raubmotiv

Für mich ist es offensichtlich, dass ein Raubmotiv fehlt, wenn die Täter wertvolle Dinge wie 1800 Mark Goldmünzen und einige Silbermünzen sowie Schmuck zurücklassen.

Dass überhaupt etwas mitgenommen worden ist, steht nicht fest, denn dass Papiergeld im Wert von 100.000 Mark im Anwesen war, hat nur LS ausgesagt . Das ist als gegeben hingenommen worden und nicht hinterfragt worden, obwohl er der Tat verdächtig war.

Ich sehe da kein Bereicherungsmotiv und ich habe das auch begründet und nicht nur pauschal in den Raum geworfen.


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Mordfall Hinterkaifeck

27.01.2013 um 13:53
@AngRa

Dass Riedmayer LS vor dem Verhör verdächtigt hat, bezweifel ich nicht im Geringsten. Die Frage ist doch, ob er das noch nach dem Verhör getan hat. @Heike75 geht davon aus, dass dem nicht so war und zumindest in soweit kann ich ihr zustimmen, als die Äußerungen, die Riedmayer nach dem Verhör veröffentlicht hat, nicht gerade für einen immer noch bestehenden Verdacht seinerseits sprechen. Das schließt für mich allerdings eine Täterschaft des LS nicht zwingend aus, weil ich ua der Ansicht bin, dass Riedmayer das Verhör nicht gerade optimal geführt hat. @pensionär hatte - wenn ich mich recht erinnere - einige dieser Defizite hier sehr überzeugend herausgearbeitet.

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Das Problem bei einem Raub ist natürlich immer, dass man erstmal nicht weiß, was denn fehlt, wenn alle die das definitiv wissen könnten, tot sind. Auf der anderen Seite halte ich es aber auch für unwahrscheinlich, dass die HKler überhaupt kein Papiergeld zu Hause gehabt hätten - und solches wurde nunmal nicht gefunden. Dieses Argument von Dir halte ich aber insgesamt für einen weitaus berechtigteren Einwand, als Dein ursprüngliches Argument, was ich nach wie vor für nicht valide halte. Der Schluss "jemand tötet in Bereicherungsabsicht -> also muss er alles, was wertvoll ist mitnehmen, egal ob das für ihn problematisch ist oder nicht" ist mE so nicht haltbar. Dazu kenne ich zuviele Gegenbeispiele.

Betrachte ich die Aussage des LS erstmal nicht unter der Prämisse, dass er gelogen hat, dann ist sie ein wertvoller Anhaltspunkt. Infolgedessen bleibt für mich die Raubmordtheorie valide.


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Mordfall Hinterkaifeck

27.01.2013 um 14:02
@DerGreif
Ich danke Dir sehr für die nochmalige professionelle Aufarbeitung zum Erbkomplex. Bin kein Experte, aber genau so seh ich die Situation nach dem Studium des damaligen BGB und eines damaligen kommentierten Erbrechtsbuches.
Es ist eindeutig so, dass die erste verfügbare Ordnung alle weiteren nachfolgenden Ordnungen aussetzt.


Wer ein wenig Mühe darauf verschwendet, wie wie damalige wirtschaftliche Situation war und wie der Umgang mit Geld sich schon ab 1921 im Alltag veränderte, der kann unmöglich davon ausgehen, das auf einem Hof wie HK kein Papiergeld vorhanden war zum Zeitpunkt der Tat. Und wenn man Ney glaubt und das Goldgeld nicht offen rumlag sondern versteckt hinter einem Getreidesack und unter Tüchern, dann ist die Schlussfolgerug nicht abwegig, dass dem oder den Tätern Geld in die Hände gefallen sein kann. ICH SAGE KANN, denn vor Eintreffen der Polizei waren so viele Leute im wohntest, dass streng genommen auch ein Schaulustiger sich bereichert haben könnte.
Eine beute des Täters wäre in jedem Fall wahrscheinlicher als ein geldfreies HK.
Uhren und Schmuck hingegen waren eine auffällige Beute. Mit denen konnte ein Täter bei einer Kontrolle (und davon gab es damals viele) ganz schön in Erklärungsmodelle kommen. Geld war da unauffälliger. Einige tausend Papiermark ließen sich durch einen vorangegangenen Handel erklären, den nie jemand nachweisen konnte.
Raubmord ist mitnichten als Option auszuschließen.
Grüße


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Mordfall Hinterkaifeck

27.01.2013 um 14:07
@jaska

Stimme Dir voll umfänglich zu! Danke auch noch für die lieben Grüße - sind bei mir angekommen und ich hab ein paar zurück geschickt! ;)


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Mordfall Hinterkaifeck

27.01.2013 um 14:12
@DerGreif
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb: Nach Deiner Logik sind dann die HKler von gar niemandem umgebracht worden - denn die Ermittler waren ja keine Schlafmützen, haben aber niemanden festgenommen.
Ist denn der Täter je vernommen worden? Steht der Name des Täters in irgendeiner Akte oder hat er es geschafft, nie Teil der Ermittlungen zu werden?

Deine Ausführungen zu dem Herrn Professor auf dem Lehrstuhl sind schon interessant... "schwarze Schafe" wird es wohl immer und überall geben...
Damit aber gleich die Fähigkeiten von 4 Staatsanwälten vom Tisch zu wischen, halte ich für etwas daneben...
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb: - Renner war eine Vollpfeife (aka "Dummerchen") oder hatte vielleicht einfach keine Lust auf diese Ermittlungen.
- Pielmayer... und eine für die damalige Zeit typische völlig verfehlte Einstellung,
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb: - Dass Dr. Popp einen Doktor hat, besagt nichts über seine Fähigkeiten als Ermittlungsbeamter.
Sonderakt Schlittenbauer:
Mich interessiert einfach, was dort drin steht oder besser gesagt, drin gestanden hat.... Ich gehe davon aus, dass der Akt im Wesentlichen Aussagen über Schlittenbauer enthielt
Genau das glaube ich auch. Ein Sammelsurium von Aussagen, die unter der Bevölkerung so rum gegangen sind und den Kriminalern, auf welchem Weg auch immer, "zu Ohren gekommen sind"...
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Immerhin wird es gerade nicht dasselbe sein, was uns an wenigen Berichten (insgesamt 3, davon 2 mit jeweils einem Satz, Pielmayer hat sich immerhin zu einem Paragraphen durchgerungen) und Aussagen (2 Stück) erhalten geblieben ist.
Vielleicht mag tatsächlich der ein oder andere Bericht von einem StA. dabei sein... glaubst Du denn, dass z.B. Renner offiziell schreibt, dass LS nicht als Täter in Frage kommt und in der SoA Schlittenbauer dann ein Bericht von ihm liegt, indem Renner das Gegenteil behauptet?

Zum Sammelsurium, bzw. der Aussagen der Leute:
Um die Meinung der StA´s wiederzugeben, brauche ich keine SoA Schlittenbauer. Und ich brauche auch keine SoA Schlittenbauer um sagen zu können, dass Sigl nichts ausgelassen hat, um den Lenz dran zu kriegen... Wieviel haarsträubende Aussagen von Sigl liegen denn in der SoA?

Wir haben doch Berichte / Aussagen, indenen Leute erzählen, was das Dorf so über den Täter denkt, bzw. wen es für den Täter hält. Nimm Dir mal diese Aussage vor. Bis Dato sind sie für die Tonne.
Da hat der Lenz komisch gekuckt, am Stammtisch in der Ich-Form erklärt, wie er arschlinks vom Hof lief, wie er am Tag nach der Tat auf HK gegessen hat (mit hochgezogenen Hemdsärmel... Skandal !!!), und das Fleisch verschenkt hat...

Ich bin der Meinung, dass der Hund genau hier begraben liegt:
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb: Sein Bericht hat eine ganz andere Qualität. Allerdings bauen seine Argumente, die LS entlasten sollen, auch im Wesentlichen auf zwei Punkten auf: Mangelndes Motiv (was ich für definitiv falsch halte, dazu werden von mir nochmal detaillierte Ausführungen folgen, ich arbeite gerade an einem umfassenden Rechtsgutachten zu der Thematik) und eine für die damalige Zeit typische völlig verfehlte Einstellung...
Der Pielmayer war ein anderes Kaliber, aber... er durchschaut den Lenz nicht...´doch, genau das tut er. Und erklärt, warum es so einfach nicht ist/war.
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb: - Zur Vorgehensweise des/der Täter/s passt vieles. Daran lässt sich ein konkretes Tatmotiv überhaupt nicht festmachen.
Ein Verrat wäre kein Motiv. Leider können wir Maria Sandmayer nicht mehr befragen.
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb: - Ich halte einen Nachbarn, der einen potentiell stark vermögens- und familienleben-beeinträchtigenden Zivilprozess verhindern möchte für wahrscheinlicher als einen Fememord.
Ahhhh... Du findest zwar nichts in den Akten oder den Aussagen, was auf einen Fememord hinweist, aber Du findest Hinweise auf einen Zivilprozess?
Dann nenne mir auch nur einen Punkt, der auf ein Zivilprozess hindeutet!
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb: Im Gegensatz dazu hat nie irgendjemand der Knechte und Leute auf dem Hof, geschweige denn die Auffinder und Ermittler, dort etwas beobachtet, was einen Fememord nahelegt.
Wenn die Auffinder etwas von einem Fememord geschrieben hätten, hätten sie nicht mehr lange gelebt.
Und die Ermittler taten gut daran, es nicht zu sehen... oder wollten sie, so wie Reingruber, dazwischen geraten?
Reingruber kam, kuckte und war weg... auf nimmer wieder sehen... warum?

Ich habe mal eine Frage an Dich:
Was soll das Kapitel über M. Sandmayer im Buch von Peter Leuschner?


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Mordfall Hinterkaifeck

27.01.2013 um 14:14
"Erklärungsmodelle" ist natürlich Quatsch. Erklärungsnot müsste es heißen.
Sorry!



@DerGreif
Die Grüße sind alle da so sie hingehören ;)


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Mordfall Hinterkaifeck

27.01.2013 um 14:30
@jaska
@DerGreif
auch ich danke Dir für die Erläuterungen zum Erbe der Viktoria.
Seit dem habe ich aufgehört, nach Erklärungen zu suchen... bis dahin ging ich mit dem Argument hausieren, dass C. Starringer nicht die Tochter vom Gruber war.

Da Du Dich aber als Jurist damit auskennst, bin ich Deinen Ausführungen gefolgt... einleuchtend und mit BGB belegt. Dem war nichts mehr hinzuzufügen.

Nochmal zu den Ermittlern, ich will nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht:
Ich denke auch, das Fehler gemacht wurden. Z.B. wurden Personen im Umfeld der Opfer nicht vernommen (Familie Gabriel z.B.)... deshalb waren sie aber nicht komplett unfähig.


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zilch ehemaliges Mitglied

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Mordfall Hinterkaifeck

27.01.2013 um 14:56
Über fehlendes sowie noch vorhandenes Geld :

Johann Anneser schreibt in seinem Brief an die Staatsanwaltschaft:
Ich nahm mit Gend. Wachtmeister Großmann die angeordnete Hausdurchsuchung vor.
Gefunden wurden 70 M Goldgeld u. ein Fünfmarkschein in Papiergeld, außerdem 2 Taschenuhren, welche unter anderen Kleidungsstücken im Bette lagen. Die Schubladen von einer Waschkommode waren herausgezogen u. durchwühlt. Von dem Vorhandensein von 3000 M Goldgeld ist mir nie etwa bekannt geworden, auch ist es nicht richtig, dass Papiergeld herumgelegen u. Gegenstände umgestoßen waren.
...
Gefunden wurde noch eine Anzahl Pfandbriefe, aber außer dem bereits erwähnten Geld nichts. Es stand außer allem Zweifel, daß sämtliches vorhandene Geld geraubt wurde.
Wie @jaska schon zuvor erwähnte erinnert sich Heinrich Ney dazu wie folgt:
In einer neben der Magdkammer liegenden Kammer fanden wir in einem Schrank, der durch Getreidesäcke verstellt war in einer Blechbüchse Gold- und Silbermünzen im Werte von mehreren tausend Mark vor.
Obwohl Johann Anneser mit seinem Kollegen WM Großmann mit der Durchsuchung der Räumlichkeiten betraut war, gelang es den Beiden nicht, das Goldgeld zu finden. Man kann also annehmen, dass -dieses!- Goldgeld bestens versteckt war. Und die Ableitung, es könne wegen noch vorhandenen Goldgeldes kein Raubmord gewesen sein, ist, dessen eingedenk, zu kurzsichtig.

Man kann auch nicht annehmen, die Kaifecker hätten lediglich 5 Mark als einzige Barschaft in regulärer Währung besessen. Ständig waren Kunden (Schmalzkäufer z.B.) oder Hausierer (Kaffee, Benzin) am Hof zugange, nahezu täglich gab es Geschäfte. Ein Bauvorhaben war geplant, die Arbeiter sollten bar bezahlt werden. Unmöglich ohne ein gewisses Minimum an Geld in gültiger Währung. Dass es zudem eine Aussage gibt, jeder der drei Erwachsenen habe über eine eigene Gelddose verfügt, lässt zumindest die Frage zu, warum letztlich nur eine davon gefunden wurde.

Dass Geld gestohlen wurde steht für mich außer Zweifel. Es wäre also nur noch zu klären, ob es noch ein weiteres Motiv als das der Bereicherung gegeben haben könnte. Aber nach meinem Kenntnisstand hat der ganze Familienklüngel mit der Mordsache selbst nichts zu tun.


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Mordfall Hinterkaifeck

27.01.2013 um 15:13
Riedmayer:

@DerGreif
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Dass Riedmayer LS vor dem Verhör verdächtigt hat, bezweifel ich nicht im Geringsten. Die Frage ist doch, ob er das noch nach dem Verhör getan hat. @Heike75 geht davon aus, dass dem nicht so war und zumindest in soweit kann ich ihr zustimmen, als die Äußerungen, die Riedmayer nach dem Verhör veröffentlicht hat, nicht gerade für einen immer noch bestehenden Verdacht seinerseits sprechen.
... "nicht gerade für einen immer noch bestehenden Verdacht seinerseits sprechen"...?

Im Wortlaut:
Bewertung der Person Schlittenbauer durch den ermittelnden Kriminalinspektor Riedmayr nach dessen Vernehmung im März 1931.
Anschließend an die Einvernahme wurde Schlittenbauer noch auf die an einzelnen Punkten zu Tage getretenen Unklarheiten seiner Aussagen hingewiesen. Er brachte jedoch seine Antworten in einer Weise vor, dass berechtigte Zweifel an seiner Täterschaft entstehen mussten. Wiederholt beteuerte er unter Tränen seine Unschuld, erklärte, dass er sehr wohl wisse, dass er in der dortigen Gegend als Täter angesehen werde und betonte, dass dies in erster Linie auf sein tatkräftiges Eingreifen als Ortsführer und auf seine Hilfsbereitschaft zurückzuführen sei. Er habe sich eben aus menschlichen Gründen um alles angenommen, habe sich aber nun nach den gemachten Erfahrungen zum Vorsatz gemacht, nie mehr in so selbstloser Weise einzugreifen.

Anhaltspunkte für ein weiteres Vorgehen sind nicht mehr vorhanden.


Das lässt ja wohl keinen Zweifel mehr zu. Riedmayer hatte keinen Verdacht mehr. Oder wer will aus dieser Passage raus lesen, dass Riedmayer weiterhin den LS verdächtigt hat?

Und genau deshalb finde ich gerade diese Dokumente sehr wichtig. Riedmayr hatte das Motiv sauber heraus gearbeitet, hat genau das erkannt, was man dem Lenz als Motiv unterstellt. Anhand der Berichte kann man die Vorbereitung zum Verhör sehr gut verfolgen. Und damit das ja alles rein passt, werden gleich zwei Verhörtage angesetzt...

Und dann? Riedmayer winkt nach einem Tag ab, schickt den Lenz heim und schreibt den o.z. Bericht.

@AngRa,
danke für Deine Ausführungen zu Riedmayer...
All das verpufft nach dem ersten Verhörtag...

und mal ehrlich... was ist denn das für eine Aussage:
Zitat von AngRaAngRa schrieb:Riedmayr war aus der Aussage des Johann Kammer vom August 1930 nämlich bekannt, dass LS fürchterliche Gewissensbisse bekommen soll und niedergedrückt auf der Straße gehe , wenn sich der Jahrestag der Mordtat nähert.
Zum Glück braucht es in diesem Land etwas mehr, als einen am Jahrestag niedergedrückten Tatverdächtigen.
Das erinnert mich an "der Lenz hat komisch gekuckt"...

@zilch
Zitat von zilchzilch schrieb: Es wäre also nur noch zu klären, ob es noch ein weiteres Motiv als das der Bereicherung gegeben haben könnte. Aber nach meinem Kenntnisstand hat der ganze Familienklüngel mit der Mordsache selbst nichts zu tun.
Auf den Punkt.

Was aber bei der "Lenz war der Täter" Theorie noch erwähnt werden muss:
Handelt es sich dann bei den ganzen Vorkommnissen vor der Tat um Zufälle?
- Zeitung am Waldrand,
- Einbruchsspuren,
- Fussspuren

Alle Vorkommnisse werden von neutralen Leuten belegt. Gruber war vorsichtig und irgendwas lief da... all das hat mit den Morden einen Tag später nichts zu tun?
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:PS: Ich arbeite gerade an einem umfangreichen Rechtsgutachten zur Unterhaltsfrage Josef Gruber. Tatsächlich ist es so, dass die rechtliche Situation für LS noch weitaus schlimmer war, als es sich aus einer einfachen Korrektur der Abfindungssumme wegen der Inflation ergeben hätte. Aber dazu später mehr. Ich werde dann auch noch ein paar allgemeinere Ausführungen zur Rechtssituation unehelicher Kinder und den Reformversuchen machen,um die Du gebeten hattest.
Darauf bin ich sehr gespannt... das ist interessant... nur bringt es uns hier leider nicht weiter... den es gibt nichts, was auf ein solches Vorgehen hindeutet.


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Mordfall Hinterkaifeck

27.01.2013 um 18:19
Alle Dokumente im folgenden Text wurden nach der Transkription im Hinterkaifeck-Wiki zitiert: http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Hauptseite

@Heike75

Nochmal zu den Staatsanwälten:

1. Was ich mit meinen Ausführungen sagen wollte, ist folgendes: Die Lebensläufe sagen nichts über die Fähigkeiten der Beamten aus. Sie sind auch keine Garantie dafür, dass die Beamten in der Lage gewesen sind, LS richtig einzuschätzen. Letztlich bleibt festzuhalten, dass es keinem der Staatsanwälte gelungen ist, den Mord aufzuklären. Um Dir hier nochmal einen Überblick über Justizirrtümer ua auch in Deutschland zu verschaffen: de.wikipedia.org/wiki/Justizirrtum

2. Wenn Du die Einschätzungen und Schlussfolgerungen der Staatsanwaltschaft als unfehlbar ansiehst, dann müsstest Du auch die Raubmordtheorie stützen. Aber offensichtlich vertraust Du den Einschätzungen und Schlussfolgerungen der StA insoweit nicht. Daher halte ich das Argument, "die StA schlussfolgert, das das so ist - also ist das so" für nicht tragfähig.

3. Renner hat nunmal nachweislich Fehler in seinen Berichten. Grobe Schnitzer. Wenn ich mir die "Berichte" durchlese, dann bleiben mehr Fragen offen, als der gute Mann Sätze verwendet. Und schließlich ist er so verzweifelt, dass er auf spiritistische Sitzungen zurückgreift und verlässt damit den Boden jeder ernsthaften Ermittlungsarbeit. Völlig unabhängig davon beruht seine Einschätzung des LS auf drei Punkten:
Zitat von Heike75Heike75 schrieb:Für Schlittenbauer, der selbst als verdächtig bezeichnet wurde, im übrigen aber allgemein als etwas sonderbarer, aber harmloser, gutmütiger und stets hilfsbereiter Mensch geschildert wird und selbst vermögend ist, ist ein Motiv der Tat nicht erkennbar.
a) LS hätte kein Motiv. Das ist mE falsch. Ich sehe durchaus ein Motiv für LS in der Problematik um seinen Sohn einschließlich etwaigen Unterhalts (Ausführungen hierzu folgen noch, das Projekt ist recht umfangreich).

b) Dass LS ein harmloser, gutmütiger, stets hilfsbereiter Mensch war. Das ist eine sehr oberflächliche Einschätzung. Wie oft haben solche nach außen hin gutmütigen hilfsbereiten Menschen schreckliche Taten begangen? Damals glaubte man noch, dass Verbrecher ein bestimmtes Aussehen hätten (ein Umstand der später auch Einfluss auf die Rasselehre der Nazis genommen hat). Das ist leider nicht so.

c) Dass LS selbst vermögend wäre. Offensichtlich geht Renner dabei immer noch davon aus, dass die Tat primär und ausschließlich wegen des entwendeten Geldes verübt wurde. Wenn das zutrifft, ist die Täterschaft des LS natürlich unwahrscheinlich. Renner übersieht aber, dass es auch möglich ist, dass LS eben die Morde begangen haben könnte, um sein bisheriges Vermögen zu erhalten und zu schützen.

4. Pielmayer ist mE ein sehr viel fähigerer Mann als Renner. Das bedeutet aber nicht, dass er nicht auch Fehler machen kann. Ich habe hier im Speziellen die Überlegungen Pielmayers kritisiert, mit denen er LS als Täter ausschließt und dies auch hinreichend begründet. Pielmayers Ablehnung einer möglichen Täterschaft des LS ist nur unwesentlich substantiierter als die von Renner:
Für den Verdacht gegen Schlittenbauer fehlt vor allem jeglicher Beweggrund zur Tat; auch spricht die Persönlichkeit des Schlittenbauer zwingend gegen den Verdacht. Wie aus der Vorgeschichte hervorgeht, stand Schlittenbauer zwar in intimen Beziehungen zu der Ermordeten Viktoria Gabriel; allein es war nicht an dem, dass er aus dem Geschlechtsverkehr unangenehme, namentlich ihn finanziell belastende Folgen für sich zu erwarten hatte. Er war damals noch ledig und hätte die Viktoria Gabriel geheiratet, wenn nicht deren Vater, der in blutschänderischem Verkehr mit ihr stand, dies verhindert hätte. Aus den Abmachungen über die Unterhaltsabfindung für das Kind Josef Gruber geht glatt hervor, dass Schlittenbauer ernstlich finanziell für das Kind gar nicht in Anspruch genommen werden wollte; vielmehr ist ihm sogar die Abfindungssumme von der Viktoria Gabriel und ihrem Vater selbst zur Verfügung gestellt worden, damit er über den Verdacht der Blutschande zwischen Andreas Gruber und der Viktoria Gabriel schwelge. Schlittenbauer hatte zudem damals bereits selbst ein Anwesen und hätte auf dieses damals schon heiraten können, wie er dies dann später im Mai 1921 getan hat. Auch wäre nicht auszudenken, wie er dazu hätte kommen sollen, auch das 2 1/2 jährige Kind im Wagen zu erschlagen. Schlittenbauer ist ein mittelmäßig situierter, gut beleumdeter Mann, dem eine solche schauderhafte Tat nicht im Entferntesten zuzutrauen ist.
a) Auch Pielmayer sieht zunächst kein Motiv, obwohl er es sogar selbst benennt: "Aus den Abmachungen über die Unterhaltsabfindung für das Kind Josef Gruber geht glatt hervor, dass Schlittenbauer ernstlich finanziell für das Kind gar nicht in Anspruch genommen werden wollte;[...]" Pielmayer übersieht - wohl mangels hinreichender Kenntnisse im Zivilrecht -, dass die Abmachungen über die Unterhaltsabfindung nichtig waren und einer Überprüfung durch die Zivilgerichtsbarkeit nicht standgehalten hätten.

b) Ebenso wie Renner hält Pielmayer Schlittenbauer als gut beleumdeten Mann für unfähig die Tat zu begehen. Ebenso wie bei Renner ist das kein brauchbares Argument um eine Täterschaft auszuschließen.

c) Ähnlich wie Renner scheint auch Pielmayer ausschließlich von einem Raubmord auszugehen. Die Ausführungen dazu, dass LS mittelmäßig situiert ist und selber einen Hof hat, schließen zwar einen Raubmord allein um des bei den Hklern vorhandenen Geldes Willen aus. Nicht aber einen Mord, um sich dieses mittelmäßige Vermögen dadurch zu erhalten, einen etwaigen kostspieligen Zivilprozess um den Kindesunterhalt zu vermeiden.

d) Schließlich übersieht Pielmayer auch oder ignoriert - und das ist erstaunlich -, dass LS durch sein Verhalten im Blutschandeprozess 1919 und hinsichtlich des Unterhalts des Josef sich wahrscheinlich auch schon strafbar gemacht hatte, mithin also von einer völlig weißen Weste des LS auszugehen hier schlicht und ergreifend falsch ist.

5. Die Defizite in der Führung des Verhörs von Riedmayr habe ich ja schon mehrfach angesprochen und verweise hierzu nochmals auf die Ausführungen von @pensionär. Die abschließenden Bemerkungen Riedmayrs sind mE jedenfalls auch nur ungenügend begründet:
Anschließend an die Einvernahme wurde Schlittenbauer noch auf die an einzelnen Punkten zu Tage getretenen Unklarheiten seiner Aussagen hingewiesen. Er brachte jedoch seine Antworten in einer Weise vor, daß berechtigte Zweifel an seiner Täterschaft entstehen mußten. Wiederholt beteuerte er unter Tränen seine Unschuld, erklärte, daß er sehr wohl wisse, daß er in der dortigen Gegend als Täter angesehen werde und betonte, daß dies in erster Linie auf sein tatkräftiges Eingreifen als Ortsführer und auf seine Hilfsbereitschaft zurückzuführen sei. Er habe sich eben aus menschlichen Gründen um alles angenommen, habe sich aber nun nach den gemachten Erfahrungen zum Vorsatz gemacht, nie mehr in so selbstloser Weise einzugreifen.
sowie
Nach dem Eindruck, den ich bei der gründlichen Einvernahme vom 30.3.1931 gewann, halte ich jedoch eine Täterschaft des Schlittenbauer für sehr unwahrscheinlich.
a) Im Gegensatz zu Dir sehe ich darin keine völlige Aufgabe des Tatverdachts. Riedmayr hält es für unwahrscheinlich, dass LS der Täter ist (nicht unmöglich). Unmittelbar nach dem Verhör spricht Riedmayr von "berechtigten Zweifeln" an der Täterschaft.

b) Riedmayr begründet diese Zweifel nur sehr dürftig. Die Hinweise auf die Unklarheiten in den Aussagen des LS und dessen Antworten wurden leider nicht protokolliert. Riedmayr stützt sich schließlich darauf, dass LS unter Tränen beteuert habe, die Tat nicht begangen zu haben. Wenn die StA heutzutage danach ginge, würden gut 50 % der Täter nicht verurteilt werden.

6. Dr. Popp hat sich gar nicht geäußert. Da gibt es also auch nicht viel zu bewerten.


Zum Sonderakt:

Es geht mir nicht um Berichte der StA. In dem ganzen Fall Hinterkaifeck haben für mich die Berichte der StA nur eine untergeordnete Bedeutung, nämlich als Faktenlieferant. Schlussfolgerungen der StA sind aber in dem Sinne keine Fakten. Schlussfolgern kann ich selber. Was mich interessiert sind die Zeugenaussagen und etwaiges anderes Material wie Urkunden im Sonderakt. Hier interessieren mich besonders die Umstände, die zu folgenden Fragen des Riedmayr geführt haben:
"Frage: Die Viktoria Gabriel hat seinerzeit verschiedenen Leuten gegenüber geklagt, daß Schlittenbauer fortgesetzt Geld erpresse?"
"Frage: Nach dem Mord haben Sie sich sofort erkundigt, ob sie ihre Abfindungssumme wieder herausbekommen, die sie für das Kind bezahlt haben. Wie kommen Sie dazu, nachdem Sie doch nichts aus eigenem bezahlt hatten?"

Insbesondere bei der letzten Frage gehe ich davon aus, dass es sich hier um eine behördliche Stelle handelt, von der diese Information stammt. Ich empfinde es als äußerst unbefriedigend, dass Riedmayr hier nicht weiter nachgehakt hat und die Quellen dieser Informationen offengelegt hat.

Um also nochmal zusammenzufassen: Ich wünsche mir, der Sonderakt Schlittenbauer wäre noch existent, um mir selber ein Bild von den Zeugenaussagen und etwaigen Urkunden darin machen zu können. Denken und schlussfolgern kann ich dann selber. An weiteren Schlussfolgerungen der StA hingegen bin ich nicht interessiert. Diese sind auch in den vorhandenen Berichten für mich uninteressant. Interessant sind diese Berichte für mich, soweit sie andere Fakten des Falles darstellen, die anderweitig nicht mehr greifbar sind. Und natürlich sind die Schlussfolgerungen auch von gewissen historischem Interesse, wenn man den Zeitgeist besser erfassen will.


Zum Fememord:

Ein Verrat wäre durchaus ein Motiv. Allein für einen Verrat gibt es keine belastbaren Hinweise. Was Frau Sandmayr mit HK zu tun hat, erschließt sich mir auch nicht. Ein weiterer Grund, warum ich recht zufrieden damit sein kann, für den Leuschner kein Geld verschwendet zu haben.


Zum Zivilprozess:

Es ist nunmal eine Tatsache, dass LS durch die Nichtigkeit der Unterhaltsabfindung damit bedroht war - sollte diese Angelegenheit vor Gericht -, dem Josef Unterhaltsrente zahlen zu müssen und das angesichts der steigenden Inflation. Von der dauerhaften Belastung des Familienlebens ganz zu schweigen. Details dazu werden noch folgen, aber gut Ding will Weile haben, und ich hatte und habe gerade nicht soviel Zeit. Ich bin in einen ziemlichen Mammutprozess und betreue ein recht umfangreiches Vertragsprojekt, von den anderen Mandaten ganz zu schweigen.

Allein diese Tatsache stellt für LS eine dauernde Bedrohung dar. Ich kann allerdings nicht nachweisen, dass LS diese juristische Problematik bekannt war. LS ist für mich aber auch nicht der wahrscheinlichste Täter. Aber es ist deutlich mehr, was für LS als Täter spricht als für die Fememorde (die ich im Übrigen auch nicht völlig ausschließe, aber für nach aktueller Lage unwahrscheinlich halte).


Zu den Spuren:

1. Diese könnten tatsächlich Zufall sein. Die fehlende Bereitschaft Zufälle zu akzeptieren hat immer wieder Ermittlern Probleme bereitet.

2. Diese Spuren passen natürlich auch zu einem Raubmord.


Abschließend möcht ich nochmals anmerken, dass das Festlegen auf eine Theorie angesichts der Mangelhaftigkeit der Informationen für mich nicht in Frage kommen wird - es sei denn, es treten neue Erkenntnisse zutage.


@zilch

Danke nochmals für diese Hinweise zu dem gut versteckten Goldgeld. So etwas hatte ich undeutlich in Erinnerung.


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Mordfall Hinterkaifeck

27.01.2013 um 19:33
@DerGreif, @Heike75
Zum Fememord:
Was Frau Sandmayr mit HK zu tun hat, erschließt sich mir auch nicht. Ein weiterer Grund, warum ich recht zufrieden damit sein kann, für den Leuschner kein Geld verschwendet zu haben.
Die Erklärung für die Erwähnung der Sandmayr im Leuschner-Buch ist meines Erachtens ganz einfach, wenn man das Buch gelesen hat, denn Leuschner sagt ja dazu, dass KOI Reingruber durch die Fememorde, unter anderem Dem an Frau Sandmayr, sehr eingespannt war!


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