@DerGreif,
wie versprochen... zugegeben, etwas spät am Abend.
DerGreif schrieb: Ich begründe meine Ansichten immer relativ detailliert. Es wäre an der Zeit, dass Du Dich mit diesen konkreten Argumenten auseinandersetzt:
Hab ich vor längerer Zeit getan:
DerGreif schrieb:3. Renner hat nunmal nachweislich Fehler in seinen Berichten. Grobe Schnitzer.
Ich finde genau Einen. Davon schreibst Du auch:
DerGreif schrieb:Ich verweise nurmal auf die Würgemale oder die Behauptung, dass Viktoria ein Jahr im Gefängnis war.
Das Jahr Gefängnis war der Schnitzer...
Was aber an der Behauptung, Vik. hätte Würgemale gehabt, falsch sein soll, weiss ich nicht. Weil es in der "Telefonnotiz" nicht erwähnt wird? Da wurde noch mehr nicht erwähnt... da passen ja nichtmal die Namen der Opfer...
Solange uns kein "anständiges" Obduktionsprotokoll vorliegt, kann Keiner behaupten, Vik. hätte keine Würgemale gehabt, bzw. dass Renner Unsinn schreibt.
DerGreif schrieb:Und schließlich ist er so verzweifelt, dass er auf spiritistische Sitzungen zurückgreift und verlässt damit den Boden jeder ernsthaften Ermittlungsarbeit.
Die Sitzungen wiederholst Du häufig... die stecken Dir wohl quer... nicht unbegründet... aber, es war nicht Renners Idee.
Dr. Friedrich Sander leitete eine Anstalt für Nerven- und Gemütskranke. Er war ein Korpsbruder des Polizeidirektor Ramer. 1918 hat er in Nürnberg die "Gesellschaft für wissenschaftliche Erforschung okkulter Erscheinungen" gegründet. Dr. Joseph Böhm war Leiter der "Anstalt" UND Tierarzt... man hat den Herrn in München Hilfe angeboten... man hätte da zwei Medien, die herausragende Fähigkeiten aufzeigen würden... Wie eng die Freundschaft Ramer / Sander war, kann man an dem Schriftverkehr nach den Sitzungen erkennen...
Renner (die arme Sau *grins*) musste dran glauben und mit den Köpfen oder Teilen davon, nach Nürnberg fahren... weil er, "Herr des Verfahrens" die Mittel hatte, die die Münchner nicht hatten. Ob das der wahre Grund der Münchner war, lasse ich mal so da hingestellt... Vielleicht wollte man auch einer "Veterchenwirtschaft" wegen Freundschaft Ramer / Sander aus dem Weg gehen... ich weiss es nicht.
Weiter stellen wir uns vielleicht ein Zelt auf der Kirmes vor, indem eine nette Frau sitzt, die sagt, sie können aus der Hand lesen...
Es scheint, so zumindest die Beschreibungen, dass es einen wissenschaftlichen Touch hatte, denn der Leiter der Anstalt schrieb mehrere Zeitschriften zu den wissenschaftlichen Forschungen in der o.g. Anstalt... Wenn das niemand interessiert hätte, wäre er auf den Zeitungen / Berichten sitzten geblieben... es gab aber Mehrere. Es war neu und es was faszinierend... zu Beginn hat man das FBI mit seiner neuesten Erungenschaft, "das Profiling", auch ausgelacht... nach dem "Schwiegen der Lämmer" (dem realen Fall natürlich) war das Staunen groß und plötzlich wuchsen die Profiler wie Pilze aus dem Boden.
Der Sohn von Renner soll später behauptet haben, dass Renner dies sehr bereut hat.
Völlig unabhängig davon beruht seine Einschätzung des LS auf drei Punkten:
a) LS hätte kein Motiv. Das ist mE falsch. Ich sehe durchaus ein Motiv für LS in der Problematik um seinen Sohn einschließlich etwaigen Unterhalts (Ausführungen hierzu folgen noch, das Projekt ist recht umfangreich).
Genau hier machst Du m. M. nach einen riesen Fehler:Die Berichte von Renner stammen aus dem Jahr 1922.
Fakt ist (war), dass der Lenz die Vaterschaft abgelehnt hat und Gruber sowie Vik. wegen Blutschande angezeigt hat. Dann nahm er die Vaterschaft an, nachdem er sich mit der Kindsmutter auf die Summe von 1800 Mark Alimentzahlung geeinigt hatte. Das Blutschandeverfahren endete mit Freispruch. Ende!
Zu dieser Zeit gab es noch KEINE Aussage von Sigl (Schwaiger und die Fahrt nach SOB), denn die kam 1951. Und es gab KEINEN Beamten auf irgendeinem Gericht, der angab, dass Vik. mehr Alimente haben wollte und deshalb vorgesprochen hat.
All das, zum Teil im Wortlaut, gibt Renner in seinen Berichten genau so wieder. Wie, in Herrgotts Namen, soll denn Renner auf die Idee kommen, dass da eine Unterhaltsnachforderung beim Lenz ins Haus gestanden haben könnte, wenn sich die "Parteien" geeinigt hatten und es keinerlei Hinweise auf Nachforderungen gab?
DerGreif schrieb:b) Dass LS ein harmloser, gutmütiger, stets hilfsbereiter Mensch war. Das ist eine sehr oberflächliche Einschätzung. Wie oft haben solche nach außen hin gutmütigen hilfsbereiten Menschen schreckliche Taten begangen? Damals glaubte man noch, dass Verbrecher ein bestimmtes Aussehen hätten (ein Umstand der später auch Einfluss auf die Rasselehre der Nazis genommen hat). Das ist leider nicht so.
Es ist aber auch so, dass der "Ruf" einer Person auch heute noch zur Kenntniss genommen wird. Weiter stützt sich Renner ja nicht nur darauf...
Und... es war damals Gang und Gäbe... schau Dir die anderen Berichte an: Trunkenbold, rechtschaffender Bürger... Nichtsnutz... das heisst ja aber nicht, dass man eine Person deshalb mehr oder weniger verdächtigt hat. Aus dem folgenden Satz geht genau das hervor:
Für Schlittenbauer, der selbst als verdächtig bezeichnet wurde, im übrigen aber allgemein als etwas sonderbarer, aber harmloser, gutmütiger und stets hilfsbereiter Mensch geschildert wird und selbst vermögend ist, ist ein Motiv der Tat nicht erkennbar. Würde Renner schreiben, dass der Lenz zwar ein Motiv hat, aber als hilfsbereitet, gutmütiger Mensch beschrieben wird und solche "Gutmenschen" solche bösen Dinge nicht tun, hättest Du vollkommen recht.
So, wie Du es aber darstellst, sehe ich es nicht.
DerGreif schrieb:c) Dass LS selbst vermögend wäre. Offensichtlich geht Renner dabei immer noch davon aus, dass die Tat primär und ausschließlich wegen des entwendeten Geldes verübt wurde. Wenn das zutrifft, ist die Täterschaft des LS natürlich unwahrscheinlich. Renner übersieht aber, dass es auch möglich ist, dass LS eben die Morde begangen haben könnte, um sein bisheriges Vermögen zu erhalten und zu schützen.
Nein, genau das macht Renner nicht, ich zitiere:
die sämtlichen Hofbewohner, nämlich der 64 jährige Austrägler Andreas Gruber, seine etwa 70 jährige Frau Cäzilie Gruber, ... Dienstmagd Maria Baumgartner von Kühbach in bestialischer Weise erschlagen und wohl auch beraubt worden sind."und wohl auch beraubt worden sind...
Für mich "hört" sich der Satz so an, als sei der Raub eher zweitrangig. So, als seien die Menschen nicht in räuberischer Absicht getötet worden... Und... "wohl beraubt" heisst, dass er sich nicht sicher war ob und wenn ja, was... geraubt wurde.
Eine nüchterne Einschätzung, denn wissen was und wieviel geraubt wurde, weiss doch Keiner. Ich könnte doch glatt behaupten, die haben nichts geklaut, weil die HKler "pleite" waren. Schliesslich hat Vik. sich sogar Geld bei der Schwester geliehen... oder ich könnte sagen, die Diebe können höchstens 3000 Mark geklaut haben, weil sich Vik. diese 3000 Mark im Februar bei der Schwester geliehen hat...
Renner lässt es, m.M. nach vollkommen korrekt, offen.
Genau so hält er es auch mit dem Tatzeitraum... da ist er Reingruber um Längen voraus...
Ich frage mich auch, warum sind die Menschen im nahen Umfeld der HKler nicht vernommen worden... Gabriel, Asam usw.
Letztendlich wissen wir aber nicht, ob sie alle tatsächlich nicht vernommen wurden, es fehlt einiges an Unterlagen (Feuer in Augsburg).
Fakt hierzu ist aber auch, dass Renner sich Kriminaler von München erbeten hat, weil die Gendarmen vor Ort nicht die Motivation an den Tag legten, die sich Renner erwünscht hatte.
Und ich finde auch nicht das es mir zusteht, die Arbeit von Renner aufgrund der vorliegenden Berichte (4 an der Zahl) aus einem Fall seiner Laufbahn zu beurteilen. "Dumm wie 3 Meter Feldweg" war er nicht. Auch wenn der ein oder andere Mensch ein Amt inne hat(te), dass er durch "Vitamin B" und nicht durch Leistung erreicht hat, kann ich Renner aufgrund der wenigen Berichte trotzdem nicht als Pfeife abhaken.
Pielmayer kommt als nächstes, aber morgen, ok?