Fridolin31 schrieb:Falls er dann nicht komplett durchgedreht wäre und sowohl Frauke als auch sich selbst getötet hätte und sie mit dieser Möglichkeit gerechnet hätte.
Wenn man weiß, dass die Aussichten zu überleben ohnehin minimal sind, könnte man aber in so einer Situation einen letzten Versuch machen, an das Gewissen des Täters zu appellieren und seinen wahren Namen der Öffentlichkeit bekanntgeben.
Allerdings müssen wir dieses Szenario gar nicht erwägen.
Ein unsicherer Täter, dessen Name dem Opfer bekannt ist, lässt sein Entführungsopfer nämlich keine Telefongespräche mit Angehörigen führen.
Die Telefongespräche fanden ja gerade unter der Voraussetzung statt, dass wir es hier mit einem Täter zu tun haben, der sich seiner Sache sicher ist und der seinen wahren Namen dem Opfer nicht verraten hat.
Hier mal ganz grundsätzliche Überlegungen:
Die erste Frage, die sich bei diesem Fall stellt, lautet: Kannte Frauke den richtigen Namen des Täters?
Davon hängt alles andere ab.
a) Wenn Frauke den richtigen Namen des Täters kannte, dann war die Tat von Anfang nicht geplant gewesen.
b) Wenn Frauke hingegen den richtigen Namen des Täters nicht kannte, dann war die Tat sehr wohl von Anfang geplant gewesen.
Ich halte hier mal fest, dass wir eines sogar mit Sicherheit sagen können: dass Frauke den wahren Namen des Täters tatsächlich nicht kannte.
Nur deshalb hat der Täter Frauke ja telefonieren lassen.
Fraukes Antwort auf die Frage "Wer ist bei dir?" - "Kann ich dir nicht sagen" ist somit wörtlich zu nehmen. Also nicht: Das darf ich dir nicht sagen, der Täter hat mir die Nennung seines Namens verboten, sondern: Ich bin nicht in der Lage, dir das zu sagen, ich kenne die Identität des Täters nicht.
Verbrecher nennen ihren richtigen Namen nicht, wenn sie Verbrechen verüben.
In diesem Fall war es also so, dass der Täter am 20. Juni 2006 von Anfang an als Verbrecher in Erscheinung trat, als Verbrecher, der Frauke seinen richtigen Namen nicht verriet.
Das beeinflusst aber entscheidend die Perspektive auf die gesamte Tat: Wir dürfen hier nicht immer von Zufällen ausgehen, wenn dies und das passierte, sondern müssen die Tat als von A bis Z durchgeplant ansehen. Auch dürfen wir nicht von einem unsicheren Täter ausgehen, der anfängt zu improvisieren, sondern von einem Täter, der genau weiß, was er tut.
Ein Beispiel:
Frage: War es ein Zufall, dass der Täter Frauke ausgerechnet an einem Tag eines WM-Spiels abfing und entführte?
Die Antwortet lautet: Davon ist nicht auszugehen.
Folgefrage: Warum hat sich der Täter ausgerechnet einen solchen Tag ausgesucht?
Mögliche Antwort: Weil der Täter damit eine Botschaft vermittelt wollte. Botschaft: Für ihn ist die Entführung mit dem anschließenden Mord ein
Spiel. Das WM-Spiel ist aus - und jetzt beginnt sein grausames Spiel. Außerdem liefert er sich ein Katz- und Maus-Spiel mit der Polizei - er will seine Überlegenheit demonstrieren und aller Welt beweisen, dass er dieses Spiel gewinnt.
Fraukes Leiche wies keine Gewaltspuren auf. Es zeigt, dass wir es hier meinem leidenschaftslosen Verbrechen zu tun haben. Für den Täter ist sein Opfer nur eine Schachbrettfigur, welche er benutzt, um sein grausames Spiel zu treiben.
Dass der Punkt mit dem WM-Spiel für den Täter wichtig war, zeigt auch Fraukes 1. SMS in der Nacht des 21.06. - wobei ich jetzt davon ausgehe, dass bereits diese 1. SMS unter Zwang geschrieben wurde.
Die 1. SMS nimmt nämlich Bezug auf das WM-Spiel - man beachte die Formulierung "
das Spiel" (!):
Komme später. Das Spiel war lustig nicht gegen England Hdgdl bis später
Indiz dafür, dass bereits diese SMS unter Zwang geschrieben wurde, ist das „Komme später“. Es klingt nämlich ganz ähnlich wie bei den weiteren Nachrichten: „… dass ich bald nach Hause komme“ und „Ich komme heute nach Hause“.
Wenn wir aufhören, immer nur überall Zufälle zu sehen, können wir sogar weiter fragen:
War es ein Zufall, dass die Entführung ausgerechnet an einem Tag eines WM-Spiels stattfand, an dem England spielte?
Ich würde auch hier sagen: Nein.
Denn in der 1. SMS, die offenbar bereits unter Zwang geschrieben wurde, steht: „nicht gegen England.“
Hier ist mir noch aufgefallen, dass im Stern-Bericht (
https://www.stern.de/panorama/verbrechen/stern-crime/fallgeschichten/paderborn--das-mysterioese-verschwinden-von-frauke-liebs-6832006.html ) „England“ unterstrichen ist: Hat der Stern diese Unterstreichung vorgenommen – oder war „England“ in der originalen SMS unterstrichen worden? Im letzteren Fall würde das die Bedeutung von „England“ für den Täter hervorheben. Warum war ihm England wichtig?
Wenn wir die einzelne Aspekte des Falls mit dieser Brille betrachten, dann muss plötzlich allem eine Bedeutung beigemessen werden, wo man zuvor immer nur sagte „war Zufall, hier musste der Täter improvieren etc.“.
Ein anderes Beispiel:
War es ein Zufall, dass der Ablageort der Leiche „Totengrund“ heißt?
Auch hier die Antwort: Wohl nicht.
Der Täter fand es wohl auf makabere Art „lustig“, die Leiche genau an einem Ort mit einem solchen Name abzulegen.
Zusammengefasst: Meine Sicht auf den Fall, wie er sich mir mittlerweile darstellt: Der Täter hat sein perverses „Spiel“ im Voraus detailliert geplant.
Ich gehe davon aus, dass der Täter sich Frauke bereits vor dem 20.06. unter falschem Namen bekanntmachte, so dass er am 20.06. nicht „bei Null“ anfangen musste, als er Frauke überredete, mit ihm auf Autotour zu gehen.
Weiterhin gehe ich davon aus, dass der Täter Frauke zuvor beschattete/ausspionierte.
Er hat eben nichts dem Zufall überlassen wollen.