Doctective schrieb:Irgendwann realisiert jeder, vor allem der langsam und bei Bewusstsein stirbt, dass es zu Ende geht. Sollten Kris und Lisane also keinen überraschenden Tod gefunden haben, sondern einen langsamen Tod durch Verhungern oder Verdursten gestorben sein, dann war am Ende auch der Überlebensmodus nicht mehr vorhanden. In genau diesen Situationen verabschieden sich Sterbende von der Welt. Da gibt es keinen Funken Hoffnung mehr. Und diese Momente nutzt man, um sich zu verabschieden. Das ist ein wichtiger Teil des Sterbeprozesses.
Wahrscheinlich hat jeder von uns irgendwie schon Erfahrung mit Sterbeprozessen. Die einen mehr, die anderen weniger. Es ist aber die Frage, über welche
Spannbreite an Erfahrung man verfügt. So uniform, wie Du das darstellst, ist es in der Realität nicht, vielleicht hast Du es so erlebt - das will ich Dir nicht absprechen, es ist Deine Erfahrung. Aber eben nur Deine Erfahrung und sie bildet nicht das Spektrum der Möglichkeiten ab. Die Spannbreite ist tatsächlich von alles sehr gut vorbereitet und bewusst Abschied nehmen bis 1 h vor dem Tod an einer jahrelangen Krebserkrankung noch denken, dass man noch gerettet wird und dass man eben nicht im Sterben liegt und gar nichts ist vorbereitet und von nichts hat man sich verabschiedet. Abwehr ist ein sehr individueller Mechanismus und der kann einen sehr verblüffen als Außenstehenden. Das ist aber alles ok und auch so von den Umstehenden zu akzeptieren. Sterbeprozesse sind so individuell wie der Mensch im Leben ja auch individuell war. Die Stadien nach Kübler-Ross z.B., die Laien oft auch noch kennen, laufen nicht als Gesetzmässigkeit ab und schon gar nicht für alle Todesursachen.
Interessanterweise entscheidet sich auch nicht jeder zum Tode Verurteilte in den rückständigen Staaten, die so etwas noch im Katalog haben, Nachrichten an Familie und Freunde zu hinterlassen. Warum nicht? Müssten die doch dann eigentlich auch tun nach dieser Logik, spätestens dann, wenn die Begnadigung abgelehnt worden ist.
Bei diesem Thema Abschiedsnachrichten ja oder nein gibts hier irgendwie über all die Zeit zwei Meinungen:
a) "ich könnte mir auch vorstellen, dass man keine Abschiedsnachricht an die Freunde und Familie hinterlässt" - meist wird das irgendwie begründet;
b) "ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass man keine Abschiedsnachricht hinterlässt" - wird manchmal begründet, eher aber als Gesetzmässigkeit dargestellt, quasi als Naturkonstante, wie die Schwerkraft, die alle anderen zu akzeptieren haben, und zwar natürlich als Beleg für foul play.
Irgendwie gibt es aber gar nicht die Meinung:
c) "ich schließe das aus, dass jemand eine Abschiedsnachricht hinterlässt".
Warum eigentlich nicht? Naja - weil es offensichtlich hirnrissig wäre.
a) ist für mich eine Sicht mit Kenntnis und Akzeptanz individueller Unterschiede.
b) und c) mögen auch individuell erfahrungsbasiert sein - wir können nicht alle die gleichen Erfahrungen haben. Es macht aber keinen Sinn, aufgrund eigener eingeschränkter Erfahrungen einen universellen Deutungsanspruch abzuleiten.