Ich möchte das Thema einmal von einer etwas anderen Seite beleuchten, nämlich mit einer Betrachtung über die schier unendliche Komplexität des menschlichen Gehirns.

Das menschliche Gehirn besteht aus 86 Milliarden Neuronen (Herculano-Houzel, 2009, Frontiers in Human Neuroscience) – das ist mehr als die Zahl der Sterne in der Milchstraße. Jedes Neuron bildet bis zu 10.000 Synapsen aus – ein einziges Gehirn hat bei Weitem mehr Verbindungen als alle Router, Server und Endgeräte des globalen Internets zusammen. Diese 100 Billionen Synapsen sind jedoch im Gegensatz dazu keine starren Drähte, sondern lebendige Strukturen; alle Blätter des Amazonas-Regenwaldes zusammengenommen sind zahlenmäßig geringer und bauen sich nicht millisekündlich um — jedes Gespräch, jeder Gedanke verändert sie, genau wie nun diese Zeilen dein Gehirn verändern...

Jede Sekunde feuern Millionen Neurone in perfekt orchestrierten Mustern – nicht chaotisch, sondern sinnvoll organisiert. Ein einzelner Gedanke aktiviert mehr Verbindungen pro Millisekunde als es Sandkörner an allen Stränden der Erde gibt. Und das alles verbraucht nur 20% des Grundenergiebedarfs!

Dieses unfassbar komplexe Organ ist aus Sternenstaub entstanden. Die Synapsen feuern heute, weil primordiale Dichtefluktuationen im frühen Kosmos Galaxien formten, Sterne schwere Elemente wie Kohlenstoff und Sauerstoff erbrüteten und auf einem fein abgestimmten Planeten Leben entstand, das sich bis zu Bewusstsein entwickelte. Das Universum, das vor 13,8 Milliarden Jahren mit einem heißen Urknall begann, brachte durch seine Gesetze Strukturen hervor, in denen – unter seltenen Bedingungen – Gehirne entstehen, die über es nachdenken können.

Und so übermitteln heute Neurotransmitter Botschaften zwischen Neuronen – wie Photonen Energie und Information durch den Kosmos tragen. Die verblüffende Ähnlichkeit: Beide sind vernetzte Systeme, deren Komplexität aus einfachen Regeln entsteht. Im Gehirn sind es elektrochemische Signale, im Kosmos Gravitation und Quantenphysik. Beide zeigen selbstorganisierende Muster: Neuronen formen Gedanken, Sterne formen Galaxien.

Man kann sagen: Das Gehirn ist das komplexeste Objekt, das wir im gesamten bekannten Universum kennen - zumindest gemessen an der Dichte selbstorganisierender Informationsverarbeitung. Es ist so komplex, dass es sein eigenes Entstehen verstehen will – aber gleichzeitig zu klein, um das Ganze zu begreifen, weil Komplexität nicht linear mit kognitiver Kapazität korreliert. Es ist wie ein Fraktal, das zwar in seiner Selbstähnlichkeit das Ganze enthält, aber versucht, die Gesamtheit zu vermessen, was natürlich scheitern muss.

Wenn nun das Gehirn ein Mikrokosmos des Universums ist – dann ist jede Erkenntnis ein Akt, in dem das All sich selbst erkennt. Die Neurone feuern heute, weil vor Äonen Sterne explodierten. Das Staunen über diese Zeilen ist das Universum, das über sich selbst staunt.

Ist diese Selbstreflexion jedoch lediglich ein emergentes Phänomen ohne Finalität?

Symphony of Science - 'We Are All Connected' (ft. Sagan, Feynman, deGrasse Tyson & Bill Nye)
Youtube: Symphony of Science - 'We Are All Connected' (ft. Sagan, Feynman, deGrasse Tyson & Bill Nye)
Symphony of Science - 'We Are All Connected' (ft. Sagan, Feynman, deGrasse Tyson & Bill Nye)
Externer Inhalt
Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.