@DieCaro Naja, familiäre Loyalität oder auch Schmerzbewältigung ist nicht so einfach auf ein "logisches Verhalten" runterzubrechen.
Vielleicht ist es für manche schlicht erträglicher, eine diffuse Hoffnung aufrechtzuerhalten, als sich mit einem realen Verlust auseinanderzusetzen, bei dem jemand aus dem engen Kreis verantwortlich sein könnte.. Es wäre dann eher ein Verdrängen durch Festhalten an einem funktionierenden Familiensystem .. selbst auf Kosten der Wahrheit. Psychologisch tragisch, aber leider nicht unplausibel.
Ich finde, der Familie kann man da insgesamt keinen Vorwurf machen; jeder geht mit Verlust oder auch Unsicherheit anders um.
Viel interessanter finde ich eigentlich die Psyche des TV, sollte er der Täter sein. Für einen Psychopathen, der jahrelang mit einer Lüge leben kann, ohne jegliche Gewissensbisse, halte ich ihn weniger.
Ich glaube vielmehr, auch da wird verdrängt .. oder vielleicht kann er die Tat vor sich selbst auch irgendwie rechtfertigen.
Ich habe das Gefühl, dass der TV vielleicht jemand ist, der es jedem, vorallem seinem engen Familienumfeld, recht machen will.
Und genau darin könnte auch der innere Konflikt liegen. Wenn jemand stets bemüht ist, als zuverlässig, hilfsbereit und angepasst zu erscheinen, dann passt eine solche Tat, selbst wenn sie im Affekt geschah, absolut nicht zu seinem Selbstbild. Die Verdrängung wäre dann ein Schutzmechanismus, um das eigene Weltbild und die Beziehung zu den Menschen um ihn herum aufrechtzuerhalten.
Vielleicht ist es keine kalt geplante Tat, sondern ein furchtbares Unglück mit anschließender Panikreaktion gewesen und seitdem wird geleugnet und verdrängt und vielleicht sogar geglaubt. Menschen sind in der Lage, sich Realitäten zurechtzubiegen, wenn die Wahrheit zu bedrohlich für die eigene Identität wäre.
Es gibt ja auch das Phänomen, dass Menschen Psychosen übertragen können (Massenpsychose, folie a deux). Vielleicht ist das mit dem Mechanismus der Verdrängung ähnlich.