Vermisste vietnamesische Azubis in Berlin
um 21:12
Viele Beiträge hier gehen von einer heilen Welt aus, andere beschreiben die Realität relativ zutreffend.
Ein vietnamesischer Bekannter von mir betreibt eine solche Vermittlungsagentur und hat mir folgendes erklärt:
Auf der einen Seite stehen Branchen wie Gastronomie oder Pflegeberufe, die händeringend Arbeitskräfte suchen. Da die Bezahlung dort generell nicht besonders gut ist, beziehen viele bereits in Deutschland lebende Menschen lieber Bürgergeld als in solchen Branchen zu arbeiten.
Die Branchen zahlen daher üppige Vermittlungsprovisionen für Auszubildende aus dem Ausland. Insbesondere Vietnamesen gelten immer noch als pflichtbewusst und fleißig und sind sehr gesucht. Hier werden etwa 30% eines Jahresgehalts als Provision gezahlt. Das sind bei ca 1300 Euro monatlicher Ausbildungsvergütung also sage und schreibe 5000 Euro pro Kopf. Bei einem Schwung von 20 vermittelten Azubis also 100.000 Euro.
Dagegen laufen natürlich die Kosten, die der Vermittler hat und zu optimieren sucht. Er kann den Azubi also auf seine Kosten in einen Deutschkurs in Vietnam schicken oder aber gleich einen Bewerber nehmen, der schon ein Zertifikat hat. Wo das Zertifikat herkommt, ist ja nicht sein Problem.
In der Regel bewerben sich die Jugendlichen auf Druck ihrer Eltern, die ihren Kindern eine Zukunftsperspektive in Deutschland eröffnen wollen. In der vietnamesischen Kultur ist es im Gegenzug üblich, dass die im Ausland "üppig" verdienenden Kinder Geld nach Hause schicken um die Familie zu unterstützen. Die Nachfrage nach solchen Ausbildungsplätzen ist groß, oft müssen die Bewerber eine "Aufnahmegebühr" zahlen um genommen zu werden. Der Vermittler verdient also auf beiden Seiten und minimiert gleichzeitig seine Ausgaben.
Einmal in Deutschland, stellt sich das ganze für die Auszubildenden nicht mehr so rosig dar. Deutschland ist kalt, die Arbeit in der Pflege und Gastronomie hart, der Umgangston rauh. Aufgrund der nicht vorhandenen Deutschkenntnisse, die aber eigentlich erwartet werden wie bescheinigt, funktioniert die Berufsschule nicht, aber auch Patienten und Restaurantgäste können mit dem Personal nicht wirklich kommunizieren. Man rutscht also relativ schnell in unqualifizierte Tätigkeiten (Putzen, Spülen, Aufräumen) und hat keine Erfolgserlebnisse.
So geraten viele relativ schnell in eine Abwärtsspirale, und von dort ist der Weg der jungen unerfahrenen Auszubildenden in die Hände skrupelloser Personen nicht mehr weit.
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