Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre
gestern um 13:01
Hallo, ich habe mir den Großteil hier durchgelesen und wollte auch meine Meinung zum besten geben:
Meiner Meinung nach gab es nie wirkliche Indizien, dass Werner der Täter ist, aus folgenden Gründen:
1. Das Tonbandgerät wurde nicht eindeutig identifiziert und zudem wurde es nicht 1982 bei ihm gefunden, d.h. nach 20 Jahren kann er auf sonstige Umwege daran gekommen sein und selbst wenn man beweisbar sagen kann, dass es das gesuchte Gerät ist, dann steht es Aussage gegen Aussage und im Zweifel für den Angeklagten.
2. Klaus P. hat wirre und widersprüchliche Aussagen getätigt, vllt. auch gar nicht mal aus Absicht, wenn es stimmt, dass er alkoholkrank war (mein Vater ist an seiner Alkoholsucht gestorben und exzessiver Konsum schädigt auch das Gehirn, mal abgesehen davon, dass unter Rausch Wahrnehmungen ganz anders sind und unlogisch). Meiner Meinung nach könnte Klaus durchaus ein 'treudoofer' Mittäter sein, aber seine Aussagen beweisen keinen Zusammenhang mit Werner. Werner ist für mich auch kein Typ, der mit jmd. zusammenarbeiten könnte.
3. Werner hatte erst kein Alibi und dann doch. Kann ich gut nachvollziehen, ich könnte auch im ersten Moment nicht sagen, was ich vor 2 Wochen an dem und dem Tag gemacht habe und müsste erstmal recherchieren. Dass es dann erst von anderen bestätigt wird und dann doch wieder nicht, da finde ich die befragten Personen fraglicher als Werner.
4. Anonyme Hinweise hatten anscheinend nicht viel Aussagekraft, weil sie ja auch nichts bewiesen haben. Außerdem wird Werner nicht sonderlich sympathisch (Hundestory) und gut angesehen (Schulden, Vorstrafen) in der Gegend gewesen sein, weswegen er eher als möglicher Täter beschuldigt wird.
5. Er hatte die Zeit, die handwerklichen Fertigkeiten und war mobil. Das kann für viele oder gar ein Großteil der Bevölkerung sprechen, erst Recht wenn man von 2 Tätern ausgeht. Die Arbeiten im Wald könnten auch nachts stattgefunden haben, um ein Radio umzubauen muss man noch lange kein Radio- und Fernsehmechaniker sein und eine Kiste mit Rohrsystem zu bauen bzw umzubauen traue ich mir selbst mit wenigen handwerklichen Kenntnissen zu. Ja, er hatte ein Auto, wer nicht...
6. Das Tuch, ein Gürtelstück in Größe 105, zwei von vielen Heften die ebenfalls im Besitz von Werner waren, Kinder die ein ähnliches Tonbandgerät 1982 bei ihm gesehen haben, ein Fernglas - das ist alles nichtssagend, zudem es in den 80er Jahren nicht wie heute alles in zig tausendfacher Ausführung gab.
7. Werner wurde meiner Meinung in die Täterrolle gedrängt: Vorstrafen, Schulden, Unsympathie. Seine Vorstrafen sind aber nicht vergleichbar mit diesem Fall, berechtigen aber durchaus, diese Person genauer unter die Lupe zu nehmen, dennoch nicht als Begründung der Schuld. Finanzielle Schwierigkeiten berechtigen ebenfalls in einem Erpressungsfall Ermittlungen aufzunehmen, aber stellen keinerlei Begründung dar. Hinzu kommt, dass Personen mit einem Betrieb anfangs oft Schulden haben und er auch nicht der einzige mit Schulden im Umkreis sein wird. Die Story mit dem Hund finde ich auch grauenhaft und vielsagend was die Moral und Empathie von Werner angeht, aber steht in keinerlei Zusammenhang mit der Tat. Und so doof es auch klingt, es waren andere Zeiten: meine Oma war die liebste Person, aber hat auch die unerwünschten Katzenbabys mit einem Hammerschlag auf den Kopf getötet - Tiere hatten einen ganz anderen Stellenwert, sie waren kein Freund in erster Linie, sondern hatten eine spezielle Aufgabe im Haushalt.
8. Da es nie Beweise oder eindeutige Indizien gegen Werner gab, hätte er auch nie so umfassend in den Medien erscheinen dürfen. Damit wurde ein Narrativ in der Bevölkerung erschaffen. Unterstützt durch Aussagen der Exfrau und Bekannten, was aber auch nicht mehr als Hören-Sagen ist und nicht als Wahrheit dient und das Bild des Täters untermauert - wie sagt Coldmirror immer so schön: "Der ist böse und der bleibt auch böse".
9. Die Tat passt nicht zum Täter! Das sagt mir meine Menschenkenntnis: wer sieht Werner eine Kiste bauen, wobei er sich überlegt: 'Ach die Kleene braucht ja nen Sitzplatz und Tischchen für die Comics, die ich ihr gebe, damit sie sich nicht langweilt. Und Licht und ein Radio, damit sie sich nicht einsam fühlt...' Das passt nicht zu dem Menschen, der den Hund in der Tiefkühltruhe vergisst. Auch die Vorstellung, wie er Zeitungsschnipsel ausschneidet und damit einen Brief bastelt, passt nicht zu dem Bild, was ich mir von Werner gemacht habe. Er ist ein erwachsener Mann mit nicht unbedingt den besten Moralvorstellungen, der in meinen Augen eine Schreibmaschine verwendet, da die Adresse ebenfalls mit Schreibmaschine erfasst wurde. Alles in allem wäre sein Tatvorgehen roher, aufs wesentliche bedacht: eine Kiste ohne Schnickschnack, Wasser und Kekse, ein Brief mit ausreichender Frankierung, ein geplanter Anruf ohne Jingle.
10. Subjektiv gesehen finde ich 2 Mio. Mark eine viel zu Hohe Lösegeldsumme und könnte mir vorstellen, das Werner eher realistisch eine Summe um die 500.000 Mark gewählt hätte, um sicher zu stellen, dass die Summe schnell erhältlich ist und um die Wahrscheinlichkeit der Einschaltung der Polizei so niedrig wie nur möglich zu halten. Er wusste, dass die Familie nicht zu den reichsten in der Umgebung gehörte. Da er Ursula kannte, kann man in dem Fall auch nicht von einer Verwechslung ausgehen.
11. Das Verhalten von Werner ist unsympathisch und er verteidigt sich nicht wirklich, er zeigt sich offen im Gericht. Er wirkt nicht wie jmd., der etwas zu verbergen hat und versucht kein bisschen sich in einem besseren Licht darzustellen. Auch wenn ich ihn nicht mag, wirkt er für mich wie ein einfacher, dennoch intelligenter Mensch, der nicht viel von leeren Worten hält und freischnauze spricht. Er will niemanden um den Finger wickeln und er weiß auch, dass es nur noch den einen Sinn in seinem Leben gibt, zu beweisen, dass er es nicht war.
Was ich zusammenfassend sagen möchte:
Man hätte sich irgendjemanden raussuchen und alle Indizien um diese Person herumbauen können, wie es im Fall von Werner geschah.
Indizien sollten immer wieder zu einer Person führen und nicht anders herum.
Und wie jeder andere eine Theorie hat, so möchte ich meine erläutern:
Der ganze Tathergang spricht meiner Meinung nach für einen bzw. mehrere jugendliche Täter, 15 bis 19 Jahre alt. Die Tat wird in den Medien sehr verteufelt und das ist auch berechtigt, man darf niemanden so etwas antun und schon gar nicht Schutzbefohlenen, in dem Fall einem Kind. Dennoch stand nie eine Mordabsicht im Raum und auch keine sadistischen sowie sexuellen Interessen, ganz im Gegenteil wurde versucht diese Gefangenschaft erträglich zu machen. Einen unüberlegten Jugendstreich finde ich daher überhaupt nicht abwegig. Vllt. von gelangweilten und von den Eltern nicht genug beachteten Schülern aus dem Internat. Kinder, die vllt. so auf sich aufmerksam machen wollten oder beweisen wollten, dass sie nicht von dem Geld ihrer Eltern abhängig sind, vllt. auch nur pure Langeweile, who knows, das Geld spielt in diesem Fall keine vorrangige Rolle. Besonders spricht dafür, der Aufbau der Kiste und die Ausstattung, der Brief mit den Papierschnipseln und die vielen Anrufe mit dem Jingle. Auch der Klingeldraht, sollte er überhaupt zu dem Fall gehören. Irgendwie klingt das alles nach Klischees, die aus Kinderkrimis stammen könnten und Jugendliche aufregend finden. Allerdings denke ich, das Hilfe von außen vorhanden sein musste und da passt für mich Klaus P., der eventuell die Kiste besorgt haben könnte. Ich finde Klaus könnte in diese Rolle passen, alleinstehend, arbeitslos, suchtkrank, evtl. einsam hat er sich von den Jugendlichen ausnutzen lassen und wusste vllt. gar nicht so genau, was da abgeht.
Auch im Vergleich zu anderen Entführungsfällen, welche weitaus brutaler abliefen, finde ich es auffällig, dass trotz dem Tod von Ursula nicht weiter an dem Plan der Erpressung festgehalten wurde, indem man die Leiche 'entsorgt' und die Drohungen an die Familie verschärft. Meiner Meinung nach wurde erst nachdem der/die Täter die tote Ursula fanden, das Ausmaß ihrer Tat bewusst, evtl. Wiederbelebungsmaßnahmen waren vergebens und Hilflosigkeit sowie Angst vor Bestrafung machten sie handlungsunfähig. Das passt für mich zu Heranwachsenden, deren Streich zu tödlichem Ernst wird.
Am Ende des Tages ist es vollkommen egal was wir alle denken, ich bezweifle dass der Fall neu aufgerollt wird oder Werner eindeutig seine Unschuld beweisen kann, wie auch, wenn seine Schuld nie eindeutig belegt wurde.
Der einzige stichhaltige Beweis ist die DNA, die auch 2006 bei einem anderem Fall gefunden wurde. Sollte da irgendwann ein Treffer erzielt werden, gibt es vllt ein paar Antworten.
Vllt. wird auch ein Täter auf seinem Sterbebett geständig, wobei das nach so extrem langer Zeit eher unwahrscheinlich ist, dass das schlechte Gewissen noch an ihm zehrt.
Ich denke, dass dieser Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit recht schnell hätte gelöst werden können, vorausgesetzt es wird gute, zielorientierte Polizeiarbeitet geleistet. Es war alles da: Leiche, Tatort, Täter muss im Umkreis leben oder arbeiten, Spuren ohne Ende.
Ich würde mir wünschen, dass der Fall nochmal groß aufgerollt wird, nicht auf Hinblick zur Lösung des Falls (dafür ist zu viel Zeit vergangen und viel zu viel Beweismaterial vor Begutachtung zerstört wurden), sondern in Hinblick was bei der Polizeiarbeit falsch lief: Unwissenheit, Unfähigkeit, Inkompetenz, falsche Arroganz, Dummheit, Korruption.
Das wird leider nicht passieren, aber sollte es wirklich auf geschmierte Polizisten hinauslaufen, wäre noch eine Aufklärung möglich.
Zum Schluss: ich glaube nicht, dass es der Sohn von dem Unternehmer mit Drecksvergangenheit ist (wobei er für mich wahrscheinlicher als Werner ist), sondern eher Kinder von Politikern/Diplomaten, die direkt mit Auffinden der Leiche von Ursula ihre Kontake genutzt haben, um das Internat rauszuhalten, ohne dass eine Spur überhaupt da hingeführt hätte.