
Quelle:
https://www.spiegel.de/politik/bundesregierung-erhoeht-ab-januar-den-mindestlohn-a-15a56344-6bbf-4891-924a-fa2dd2a7d14bDer Beschluss erfüllt (fast) ein Versprechen der SPD – und sorgt bei Arbeitgebern für heftige Kritik.
Waaaas? Das kann ich mir nicht vorstellen. Normalerweise freuen sich doch die Geringbezahler und Freizeitnehmer (Arbeitgeber) immer, wenn der Mindestlohn erhöht wird, oder?
Die Bundesregierung hat wie erwartet die Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Januar beschlossen. Er steigt dann auf 13,90 Euro pro Stunde und ein Jahr später um weitere 70 Cent auf 14,60 Euro pro Stunde.
Wenn man die Kriterien der EU-Mindestlohnrichtlinie zugrunde legt - also die europäischen Richtlinien, die als nicht verbindliche Vorgaben festgelegt wurden -, dann müsste der Mindestlohn in Deutschland seit Jahren bei mindestens 14,60 € liegen. Diese Richtlinie sieht nämlich vor, dass der Mindestlohn bei 60 % des Medianlohns liegen soll.
Der Mindestlohn hätte also seit mindestens drei Jahren auf diesem Niveau sein müssen. Wenn aber erst 2027 ein Mindestlohn von 14,60 € erreicht wird, dürfte er zum Zeitpunkt der Einführung bereits wieder unter den europäischen Vorgaben liegen.
Deutschland bleibt also bei der Höhe des Mindestlohns weiterhin hinter den EU-Empfehlungen zurück. Somit ist der deutsche Mindestlohn nach den europäischen Vergleichsregeln immer noch viel zu niedrig. Aber immerhin wurde er jetzt erhöht.
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) bezeichnete den Mindestlohn in Berlin als »Erfolgsgeschichte für Millionen hart arbeitende Menschen«. Mit der zweistufigen Anhebung bekämen sie spürbar mehr für ihre Arbeit, und Unternehmen könnten die steigenden Kosten verantwortungsvoll über zwei Jahre verteilen. »Das ist ein wichtiger Schritt für mehr Gerechtigkeit und Anerkennung derer, die unser Land Tag für Tag am Laufen halten.
Das hat überhaupt nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Im Grunde wurde da auch nichts erhöht, denn wenn man sich den Mindestlohn von vor zwei Jahren anguckt und ihn mit dem heutigen Stand, inklusive der anstehenden Erhöhungen, vergleicht, sieht man, dass es sich hierbei im Grunde nur um eine Inflationsanpassung handelt.
Der Mindestlohn wurde also quasi an die Inflation angepasst. Das heißt, dass die Kaufkraft der vom Mindestlohn betroffenen Menschen dadurch nicht erhöht wird, sondern lediglich gesichert, damit die Kaufkraft nicht sinkt.
Das ist also keine richtige Erhöhung, sondern einfach nur das Minimum, um den Status quo der Kaufkraft zu erhalten.
Aber warum setzt der bürgerliche Staat einen Mindestlohn durch, obwohl er doch eigentlich immer im Interesse des Kapitals handelt?
Nun ja, der Grund liegt ganz einfach daran, dass die Kapitalisten in Konkurrenz zueinander stehen.
Wir leben ja in einem chaotischen System mit kaum Kooperation, weshalb jeder einzelne Kapitalist die Löhne seiner eigenen Arbeiter so niedrig wie möglich halten will. Gleichzeitig wünschen sie sich aber, dass die Löhne, die andere Unternehmer zahlen, möglichst hoch sind und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens, wenn die Konkurrenz höhere Löhne zahlt, hat sie einen Kostennachteil auf dem Markt.
Zweitens, wenn die Konkurrenz höhere Löhne zahlt, steigert das die Kaufkraft auf dem Binnenmarkt. Also die Menschen haben mehr Geld, gehen mehr einkaufen und kaufen folglich mehr Produkte - auch die der anderen Kapitalisten.
Das bedeutet, dass die Kapitalisten in einer Art Dilemma stecken, denn einerseits wünschen sie sich hohe Löhne, um den Binnenkonsum anzukurbeln, aber anderseits wünschen sich niedrige Löhne bei den eigenen Arbeitern.
Der Mindestlohn ist somit das Mittel des bürgerlichen Staates, um zu sagen: Wir regeln das jetzt flächendeckend. Indem er den Mindestlohn an die Inflation anpasst, stellt er sicher, dass die Kaufkraft nicht sinkt und der für die kapitalistische Klasse wichtige Binnenkonsum gestützt wird.
Das bedeutet, dass es beim Mindestlohn nicht darum geht, dass der Arbeiter mehr bekommt oder sein Leben besser wird (das wird es ja auch nicht, da ja die Kaufkraft nahezu gleich bleibt), sondern es geht darum, den Binnenkonsum zu stützen.
Da darf man sich nicht täuschen lassen, denn würde der Mindestlohn den Kapitalisten nichts bringen, gäbe es ihn auch nicht.