Heute ist der 25. Jahrestag des ersten Mordes des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und markiert damit den Beginn dieser damals rätselhaften Mordserie dessen Auswirkungen bis in die heutige Gegenwart reichen. Anlässlich dieses schrecklichen und gleichermaßen traurigen Jahrestages hat sich auch Günther Beckstein, zur Zeit der NSU-Mordserie Bayerischer Innenminister, zu Wort gemeldet dessen Aussagen ich teilweise zustimme, teilweise aber auch anders betrachte:
Bayerns früherer Innenminister Günther Beckstein (CSU) sieht die Mordserie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) als „größte Niederlage des Rechtsstaats in meiner aktiven Zeit“. Das sagte er im Interview der „Nürnberger Nachrichten“ (Dienstag). Die Täter hätten eine „unglaubliche Professionalität“ an den Tag gelegt. Zugleich habe es viele Pannen in der Ermittlungsarbeit der einzelnen Behörden gegeben. „Allerdings nicht die eine Panne, wo man gesagt hat: Hätte es da funktioniert, dann wäre alles anders gelaufen.“
Er sei immer der Meinung gewesen, dass es in der Region weitere Mitwisser oder Helfer gegeben haben müsse, so Beckstein, der von 1993 bis 2007 bayerischer Innenminister und von 2007 bis 2008 bayerischer Ministerpräsident war. Dazu hätten auch einzelne Hinweise vorgelegen. „Die Ermittlungsarbeit liegt seit einiger Zeit beim Generalbundesanwalt, und dessen Ermittlungsarbeit war offen gestanden ebenso wenig zufriedenstellend wie die der verschiedenen Landeskriminalämter“, befand Beckstein.
https://www.rnd.de/politik/nsu-morde-laut-bayerns-ex-innenminister-beckstein-groesste-niederlage-des-rechtsstaats-3K2MRBQSHJDT5FW3V7KMFMD3QY.html |
Ich stimme Beckstein zu wenn er sagt das es bei den Ermittlungen zur Mordserie nicht den einen, alleinigen, ausschlaggebenden Faktor gegeben hat der für das Scheitern verantwortlich war sondern das es, wie man es von großen Unglücken oder Katastrophen her kennt, oftmals eine Verkettung mehrerer entscheidender Faktoren war die letztendlich in der Eskalation mündeten. Die von Beckstein attestierte "unglaubliche Professionalität" war einer davon wobei ich es eher so ausdrücken würde dass das NSU-Trio einfach vom konspirativen Vorteil einer Drei-Personen-Zelle profitieren konnte.
Deshalb stimme ich Becksteins Meinung hinsichtlich weiterer Mitwisser oder Helfer in der Region nicht zu, insbesondere dann nicht wenn es sich auf dieses vielfach postulierte aber niemals sichtbare, ja geradezu mythische, "Unterstützernetzwerk" bezieht, was absolut fernab der Realität ist! Bundesanwaltschaft, Bundeskriminalamt, diverse Landeskriminalämter und bald 15 Untersuchungsausschüsse sowohl auf Bundes- als auch Landesebene haben in ihren Ermittlungen, Untersuchungen, Recherchen bis zum heutigen Tag keinen einzigen harten Beweis für die Existenz eines solchen "Netzwerkes" finden können. Ebenso wenig die Verfechter dieser Behauptungen wie etwa die Opferhinterbliebenen, Nebenklagevertreter, Linke oder antifaschistische Organisationen usw. usf.
Das einzige was denkbar ist das es möglicherweise lokale Tipp- oder Hinweisgeber gegeben hat ohne das diese jedoch von der Existenz des NSU überhaupt zu wissen brauchten noch was oder ob etwas passieren wird. Aber hier verhält es sich halt dann genauso wie mit den dünnen, einzelnen Hinweisen auf die mögliche Beteiligung weiterer Personen: Kriminalistisch und vor allem juristisch wäre es extrem schwer solchen Leuten, sofern es sie denn gibt, etwas konkret nachzuweisen. Genau das ist aber wiederum Voraussetzung für eine Anklageerhebung durch die Bundesanwaltschaft. Insoweit stimmt es zwar was Beckstein hier sagt aber an dieser Stelle könnte auch keine andere exekutive Institution bessere Ergebnisse liefern. Ohne etwas Substanzielles bleibt der Spuransatz nun mal kalt und die Ermittlungsbehörden können hier nicht mal eben irgendwelche Ergebnisse aus dem Nebel herbeizaubern und zur Tatsache erklären nur weil man sich das gerade wünscht. Staat und Justiz sind an Recht und Gesetz gebunden!
Vielleicht würden noch weitere NSU-Unterstützer gefunden – „wenn Frau Zschäpe zu reden beginnt. Und zwar ernsthaft und nicht nur in einer formalen Weise.“ Ansonsten habe er diesbezüglich wenig Hoffnung. Beckstein wandte sich gegen den Vorwurf, dass nur gegen das Umfeld der Opfer ermittelt worden sei. „Das ist falsch. Es ist in alle Richtungen ermittelt worden.“ Er habe veranlasst, dass der Bayerische Verfassungsschutz zur Frage nach einem möglichen rechtsextremistischen Hintergrund eingeschaltet worden sei. Aber auch das rechtsextremistische Milieu habe nicht gewusst, dass es sich bei den Tätern um Rechtsextremisten gehandelt habe.
https://www.rnd.de/politik/nsu-morde-laut-bayerns-ex-innenminister-beckstein-groesste-niederlage-des-rechtsstaats-3K2MRBQSHJDT5FW3V7KMFMD3QY.html |
Also das Zschäpe "singen" und wirklich umfassend auspacken wird ist extrem unwahrscheinlich! Bereits bei ihrer Verhaftung hat sie geschwiegen obwohl sie jederzeit Angaben hätte machen können, ebenso während des gesamten NSU-Prozesses wo sie keinerlei Ambitionen zeigt auch nur irgendwo zur wahrhaftigen Aufklärung beizutragen. Die Mär vom unwissenden, unbeteiligten "Heimchen am Herd" ging auch nach dem Prozess weiter, über die Befragung durch den NSU-Untersuchungsausschuss Bayern II, der erneuten Vernehmung durch das BKA bis jetzt wo bekannt wurde das Zschäpe in ein Aussteigerprogramm aufgenommen wurde.
Die Erfahrungen aus dem linken Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) haben doch schon gezeigt das nahezu alle ehemaligen Mitglieder bis heute eisern Schweigen obwohl gerade sie mannigfaltige Fragen beantworten könnten die bis heute in dem Komplex bestehen. Diese Omerta, das Schweigegebot, gibt es auch bei den Rechtsextremisten und Zschäpe verhält sich da keinen Deut besser oder anders. Warum also sollte sie auspacken gerade jetzt wo sich mit ihrer Aufnahme in ein Aussteigerprogramm ihre Aussichten verbessert haben ohne auch nur irgendetwas Relevantes preisgeben zu müssen?
Hinsichtlich der Aussage das ein rechtsextremistisches Motiv der Mordserie nur schwer erkannt werden konnte gebe ich Beckstein wiederum recht. Die gesamte Vorgehensweise des NSU, der Modus Operandi, unterschied sich erheblich von den rechtsextremistischen Verbrechen aber auch Vorgehensweisen die man bis dato kannte und bei denen entweder mit einer Bekennung nicht hinterm Berg gehalten wurde oder aber die Tat aufgeklärt werden konnte und somit klar war welcher ideologischer Hintergrund hierbei eine Rolle spielte. Hinzu kommt noch das der NSU sich als Kleinstzelle bewusst von der typischen Neonazi-Szene isoliert hat so das auch von dort keinerlei Informationen kamen oder kommen konnten. Dies wird unter anderem auch von Neonazi-Aussteigern wie Philip Schlaffer oder Axel Reitz bestätigt welche aussagen das ihnen der NSU vor dem Auffliegen 2011 völlig unbekannt war.
Hier hat Beckstein absolut Recht! Vor der Selbstenttarnung des NSU und der damit verbundenen Erkenntnis dass es sich bei den Ceska-Morden um das Werk einer neonazistischen Terrorvereinigung handelt hatte niemand diese Möglichkeit auf dem Schirm. Weder Polizei, Staatsanwaltschaft, Verfassungsschutz, sonstige Sicherheitsorgane, Politik, Medien oder Zivilgesellschaft, alle sind mal mehr mal weniger entweder der OK-These gefolgt oder haben eine alternative Erklärung angenommen. Insofern trifft hier besonders das Zitat des ehemaligen Generalbundesanwalts Harald Range zu welcher verlautete das die Aufdeckung des NSU und die Erkenntnis seiner Mord- und Terrorverbrechen so etwas sei wie Deutschlands 11. September. Sich bewusst zu werden das man die Gefahr des Rechtsterrorismus für über ein Jahrzehnt komplett unterschätzt hatte und so dermaßen auf dem kalten Fuß erwischt wurde ist etwas woran Staat und Gesellschaft noch immer zu knabbern haben!